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Alter, Liebe und Tod

26.12.2016 Allgemein Keine Kommentare

Ein halbes Jahr hat mich das Leben als Geisel genommen. Ich habe mich nicht gewehrt. Es hat mich vom Schreiben und vom Skulpturen machen, von der Kunst also, weg gehalten.

Alle Lebenskraft habe ich gebraucht, meinen Gefährten durch eine lebensbedrohliche Krankheit zu begleiten, ihm und auch mir Kraft, Mut und Genesung aus den Tiefen unserer Kraftreserven zu schöpfen, den individuellen und den kollektiven. Manchmal habe ich geweint, schon morgens, vor Erschöpfung.

Jedes Wort, das ich schrieb, erschien mir zu viel, aufdringlich, laut, unangemessen dem dunklen Raum, den ich durchquerte. Schweigen, Stille, Ruhe. Das Herz tat mir oft weh, in der Ohnmacht mit den Schmerzes meines Liebsten.

Ich erinnere mich heute an eine Sommernacht, in der ich ausgelaugt nach einem Tag im Krankenhaus auf unserem großen Grundstück saß, allein in hereindämmernder Nacht. Eine Füchsin kam, es dauerte sicherlich eine halbe Stunde bis sie näher kam. Ich hatte Zeit sie zu beobachtete, ihre Anwesenheit als Trost zu geniessen. Langsam, langsam kam sie, um Kirschen, die vom nahen Kirschbaum gefallen waren, vom Boden zu fressen. Irgendwann kamen auch zwei kleine Füchse, doch sie blieben weiter weg. Die Füchsin umrundete mich, nahm mich wahr, beachtete mich nur aus den Augenwinkeln, ging später wieder ihrer Wege. Verschwand in der Dunkelheit der Nacht.

Baum, Licht und Leiter Weihnachten 2016

Baum, Licht und Leiter
Weihnachten 2016

Mein Mann ist wieder aus der Dunkelheit ins Licht getreten, hat sich langsam, ganz langsam erholt. Genießt das neu geschenkte Leben. „Wir sind alt geworden, ohne dass wir es richtig bemerkt hätten“, sage ich zu ihm, „wie ist das so schnell passiert?“. Wir waren immer zu beschäftigt, um es zu bemerken, denke ich. Nun, in der Überraschung des neu gefundenen Lebensabschnitts, schaue ich mich erstaunt um: Es ist schön hier, das ist mein Leben. Was hat sich geändert? Im Schreiben bin ich wahrhaftiger geworden, kompromissloser, aber auch im Alltag.

Ich nehme den beinahe fertigen Roman, den ich vor einem halben Jahr zur Seite gelegt habe wieder hervor. Es geht um einen Abschied, eine Vater-Sohn-Geschichte, es geht um Alter, Liebe und Tod. Ja, ich könnte eine Novelle daraus machen. Dieser zweite Teil der Trilogie wird wahrscheinlich eher kurz, wie der Arbeitstitel schon andeutet: „Bonsai“.

26.12.2016

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