Authentisch schreiben
Authentisch und aus mir selbst heraus die Welt beschreiben – so will ich mein Tagebuch führen. Das klingt einfach und wer es versucht hat weiss wie komplex dieses Vorhaben ist. Wir brauchen zuerst den richtigen Platz. Es kann ein winziges Tischchen sein (wie hier auf dem Foto im Hotelzimmer im tibetischen Derge, Kham auf meiner Tibetreise vergangenen Sommer), wo ich jede Stunde des Alleinseins nutzte, um mein Reisetagebuch zu führen. Die tägliche Menge an Sinneseindrücken, emotionalen und spirituellen Erfahrung, war manchmal fast zu gross und so war ich froh, konnte ich mich zum Schreiben zurückziehen. Eine zweite wichtige Voraussetzung um authentisch zu schreiben ist es mit sich selbst, mit den tieferen Schichten der eigenen Person in Kontakt zu sein. Sonst kann es geschehen, dass frau einen banalen Schulaufsatz statt eine Reportage der eigenen Befindlichkeit und Wahrnehmungen ins Tagebuch schreibt. Unzufrieden damit geben Viele wieder auf und sagen: „Tagebuch schreiben ist schon gut, aber ich schaffe es nicht.“
Eine einfache Übung, um an einem solchen Punkt weiterzumachen ist folgende: Sitzen, sich entspannen, vor allem die Hände, Arme und Schultern. Ungekünstelt ein- und ausatmen. Dem eigenen Atem zuhören. Danach: sich sanft umschauen. Ein weiterer Schritt, wenn das nicht genügt, um wieder in guten Selbstkontakt zu kommen ist dieser: Sich umsehen und die Dinge, die man wahrnimmt, benennen, mit ihrer Farbe und Form. Also zum Beispiel: ‚Stehlampe, grau, Lampenschirm elfenbeinfarben‘. Fortfahren für etwa zwei Minuten. Das ist nur eine geistige Lockerungsübung, wir lassen sie bald wieder hinter uns. Danach kann man wieder zum eigenen Atem, dem Sitzen, der Befindlichkeit an dem Ort, wo frau gerade ist zurückkehren. Gelingt das diesmal, dann einfach den Faden wieder aufnehmen und – Tagebuch schreiben.
Authentisch zu schreiben bedeutet nicht, dass alles gut ist und schön klingt. Es geht darum, das zu Schreiben, was gerade bewegt, oder im Vordergrund steht. Gerade die Untiefen und Risse in unserer Welt sind es, die uns oft sehr beschäftigen. Speziell wenn wir auch die Rückseite der Dinge wahrnehmen wollen.
09.10.2018