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Karin Koppensteiner 10.02.2019 Allgemein Keine Kommentare

«Buddhi», Tonfigur, Darstellung des Weisheitsaspekts
Machen Sie sich jemals über Ihre eigene spirituelle Befindlichkeit Sorgen? Ist ihr spirituelles Wohlbefinden im Gleichgewicht?
Gesundheits-Vorsorge betrifft im Allgemeinen den eigenen Körper, das was gesehen und gemessen werden kann. Auch das, was geistig als gesund gilt, ist mehr oder weniger allgemein bekannt. Behandlungen, sowohl für körperliche als auch für geistige Erkrankungen können wir erhalten. Doch wie viele Menschen haben sich über eine mögliche spirituelle Erkrankung Sorgen gemacht?
Wir leben in einer Zeit, in der vielen Menschen nicht klar ist, ob sie spirituelles Wohlbefinden benötigen. Ich finde, wir sollten uns nicht nur um unsere körperliche und geistige Gesundheit kümmern, sondern auch um die spirituelle. Meine Aussage löst möglicherweise bereits innere Unruhe bei der Leserin aus. Das wiederum kann zu neuen Fragen führen.
Spirituelles Sein? Was ist das? Ich versuche hier eine Annäherung:
Als praktizierende Buddhistin nähre ich mein spirituelles Leben mit einer Vielzahl an alten, wohlerprobten Praktiken, die ich im Laufe von Jahrzehnte von wunderbaren Lehrern erlernt habe. Ich habe sie ebenso lange und täglich geübt. Ohne Wohlwollen, Güte, Respekt und Hingabe ist Spiritualität wie ein hohles Ei, auch das habe ich gelernt.
Dank meiner Spiritualität kann ich jenseits von Extremen ganz sein, Erfahrungen jenseits von Zeit und Raum machen. Dank ihr habe ich Zugang zu meinem Menschsein. Habe Zugang zu jenem Teil von mir, der sich unendlich weiter entwickeln kann, der ahnt, dass zwischen Leben und Tod keine scharfe Grenze gezogen ist.
Doch hat Spiritualität, wie ich sie verstehe, nicht unbedingt mit Religion zu tun. Obwohl jede Religion in ihrem Kern alte Traditionen für den Zugang zur eigenen Spiritualität besitzt. Ist Religion jedoch ein Wegweiser in irgendeine Art von Herrschertum oder Extremismus, hat sie ihre Spiritualität und daher ihren Wert für uns Menschen verloren.
Mittels aktiver und gesunder Spiritualität kann ich mich auf tiefgründige und vollkommene Art mit der Welt verbunden fühlen.
Vielleicht könnte man sagen, gelebte gesunde Spiritualität ist das Gegenteil von dem Lebensgefühl der Isolation? Fehlt Spiritualität, oder ist sie krank – was kann sie ersetzen? Fernsehen, Fernreisen, Feindbilder?
Karin Koppensteiner 27.01.2019 Allgemein Keine Kommentare
Die Morgen-Meditation, das Tagebuchschreiben, eine Holzkiste gefüllt mit alten Fotos – das sind drei gute Bestandteile eines Rezeptes für authentisches Schreiben.
Die Morgen-Meditation verhilft zu einem ausgeglichenen und offenen Zustand. So schreibt sich die eigene Befindlichkeit fast von selbst ins Tagebuch. Nachdem ich meine Träume der vergangenen Nacht und Ideen dazu aufgeschrieben habe, genieße ich eine Tasse Tee und schaue aus dem Fenster. Ich brauche den richtigen Moment des „Absprungs“, um mich nun mit meinem nächsten Vorhaben zu beschäftigen – ich möchte eine Kiste mit Fotos öffnen, weil ich etwas Bestimmtes suche. So eine verschlossene Kiste ist manchmal wie die Büchse der Pandorra.
Eigentlich suche ich Fotos von der Eröffnungsfeier meines ersten, damals noch gemieteten, Ateliers in Schongau. Erinnerung über Erinnerung liegen da: zuoberst Fotos von Lesungen am Walensee und in Zürich, darunter liegen einige wenige Fotos mit Meer, einer Insel in Südamerika, wann war das, 2002? Eine Serie Fotos vom Keramikofenbau in Zürich, und viele Fotos von meinen Teetassen und gebrannten Buddhi-Figuren liegen dicht aneinander. Das Buddhi-Projekt…. Die Foto-Drucke, große und kleine, sind in Schichten gelagert, wie Sandstein oder Löss. Lang lag alles still aufeinander, wurden nicht bewegt. Ich hebe immer mehr Fotos aus der Schachtel. Schließlich treffe ich auf eine Juwelenmine mit den Fotos, die ich gesucht habe.
Unerwartet blickt mich das Gesicht meiner Tochter an. Es ist mit Farbspritzern bedeckt. Ich erinnere mich: sie hatte mir damals das Ausmalen des Ateliers zum Geburtstag geschenkt. Es war kalt, März vielleicht? Vieles in meinem Leben war anders als jetzt. Elisha hat sich verändert, ich habe mich verändert. Wir waren 16 Jahre jünger. Dieser Rutsch ins Älterwerden berührt mich, ich lege das Bild vor mich auf den Tisch, spüre in mich hinein. Stille. Wie war das Erleben damals für mich, wie ist es heute? Ich nehme das Tagebuch hervor, entspanne mich und schreibe einen Bogen über die Zeit, schreibe die weißen Farbspritzer, Kälte und Liebe, schreibe hinweg über die unsichtbaren Jahre.
Auch weiterhin ist das Thema der Blogeinträge Meditation und Kunst.
Karin Koppensteiner 28.10.2018 Allgemein Keine Kommentare
Mit viel bedrucktem Papier in Aktenordnern und Mappen habe ich mich für ein verlängertes Wochenende ins Unterengadin zurückgezogen. In Abgeschiedenheit und Stille will ich entscheiden, welches die Endfassung von BONSAI wird, einer Geschichichte an der ich seit drei Jahren immer wieder schreibe. Ich möchte abschliessen, um Neues beginnen zu können. Die verschiedenen Versionen zwischen 2016 und 2018 ergeben etwa 250 A4 Seiten zu lesen. Einiges kann ich schon auswendig. Nach zwei Tagen ist das Chaos von „Copy & Paste“ vollkommen. Ich muss hinausgehen! In der Zwischenzeit hat es eine Nacht lang geschneit und der Strom war zeitweise ausgefallen. Am Spätnachmittag des Sonntags gehe ich eine kleine Alpstrasse entlang. Der Schnee, auf den es tagsüber geregnet hat, wird aquamarinweiss. Das ist ein seltener Moment. Ich will ihn auskosten, anstatt weiter grübelnd durch die Landschaft zu gehen. Diesen ersten Schnee will ich spüren, kosten. Ich nehme eine grosse Handvoll und werfe ihn aufwärts. Der Ball zielt hinauf in den blaugrauen Abendhimmel und kommt dann direkt auf mich zurück. Ich fange ihn, unversehrt landet er in meinen Händen. Ein Moment des Glücks – etwas ist von selbst gelungen. Nun kann ich wieder zurück ins Dorf gehen, mich an den Tisch setzen und weiter arbeiten.

Unterwegs fotografiere ich noch dieses Sgraffito über dem Fenster eines Engadinerhauses. Der kleine Vogel wird von etwas grösserem, einem mysthischen Vogelgeschöpf, genährt.
Karin Koppensteiner 09.10.2018 Allgemein Keine Kommentare
Authentisch und aus mir selbst heraus die Welt beschreiben – so will ich mein Tagebuch führen. Das klingt einfach und wer es versucht hat weiss wie komplex dieses Vorhaben ist. Wir brauchen zuerst den richtigen Platz. Es kann ein winziges Tischchen sein (wie hier auf dem Foto im Hotelzimmer im tibetischen Derge, Kham auf meiner Tibetreise vergangenen Sommer), wo ich jede Stunde des Alleinseins nutzte, um mein Reisetagebuch zu führen. Die tägliche Menge an Sinneseindrücken, emotionalen und spirituellen Erfahrung, war manchmal fast zu gross und so war ich froh, konnte ich mich zum Schreiben zurückziehen. Eine zweite wichtige Voraussetzung um authentisch zu schreiben ist es mit sich selbst, mit den tieferen Schichten der eigenen Person in Kontakt zu sein. Sonst kann es geschehen, dass frau einen banalen Schulaufsatz statt eine Reportage der eigenen Befindlichkeit und Wahrnehmungen ins Tagebuch schreibt. Unzufrieden damit geben Viele wieder auf und sagen: „Tagebuch schreiben ist schon gut, aber ich schaffe es nicht.“
Eine einfache Übung, um an einem solchen Punkt weiterzumachen ist folgende: Sitzen, sich entspannen, vor allem die Hände, Arme und Schultern. Ungekünstelt ein- und ausatmen. Dem eigenen Atem zuhören. Danach: sich sanft umschauen. Ein weiterer Schritt, wenn das nicht genügt, um wieder in guten Selbstkontakt zu kommen ist dieser: Sich umsehen und die Dinge, die man wahrnimmt, benennen, mit ihrer Farbe und Form. Also zum Beispiel: ‚Stehlampe, grau, Lampenschirm elfenbeinfarben‘. Fortfahren für etwa zwei Minuten. Das ist nur eine geistige Lockerungsübung, wir lassen sie bald wieder hinter uns. Danach kann man wieder zum eigenen Atem, dem Sitzen, der Befindlichkeit an dem Ort, wo frau gerade ist zurückkehren. Gelingt das diesmal, dann einfach den Faden wieder aufnehmen und – Tagebuch schreiben.

Authentisch zu schreiben bedeutet nicht, dass alles gut ist und schön klingt. Es geht darum, das zu Schreiben, was gerade bewegt, oder im Vordergrund steht. Gerade die Untiefen und Risse in unserer Welt sind es, die uns oft sehr beschäftigen. Speziell wenn wir auch die Rückseite der Dinge wahrnehmen wollen.
Karin Koppensteiner 13.09.2018 Allgemein Keine Kommentare
Auf unserer Reise in einem Pkw mit Fahrer und Übersetzer durch Osttibet sind mir immer wieder alte idyllische Vorstellungen über die Bewohner von Kham durch den Kopf gegangen. Bald war ich in der Gegenwart angekommen, die alten Vorstellungen/Bilder waren vergessen. Ich bin Widersprüchen, Stolz und Strassenbau, verschmutzen Flüssen, grossen Khampa-Hochzeitsfesten im Hotel, Sehnsuch und motorradfahrende Mönchen begegnet, reitenden Hirtennomaden und goldenen Tempeldächern. Die extreme Weite der Bergwelt auf dem Dach der Welt hat mich für immer verändert.
Täglich fand ich ich mich ohne Referenzpunkt wieder – öffnete meine Wahrnehmung und war im Neuland. Die Suche nach der Idylle gab ich auf. Zuerst waren es die Fotos, die eine Metapher für das Viele, das ich erfuhr, aber nicht aussprechen konnte und wollte, ausdrückten. Das Femde, das Schweigen, eine Mauer.
Ich fand «Die Türe» als Öffnung in der Wand, später noch den Spalt, den Riss als Ausdruck dessen, das mich bewegte und beunruhigte. Natürlich habe ich versucht, viel von dem zu fotografieren, was mir begegnete. Doch vor allem waren es Mauern und Öffnungen in Mauern, denen zunehmend meine künstlerische Aufmerksamkeit galt. Wie diese Lehmwand mit Tür in Adzom Gar in der Präfektur Gandze.
IM AUGUST 2018 UNTERNAHM ICH MIT MEINER FAMILIE EINE PILGERREISE DURCH KHAM/OSTTIBET. GEPLANT WAR, DASS ICH VON UNTERWEGS MEINEN BLOG WEITERFÜHREN WÜRDE. DIE REALITÄT WAR GANZ ANDERS ALS ERWARTET, UND DOCH WUNDERBAR. ICH VERÖFFENTLICHE ALSO HIER IN KÜRZEREM ABSTAND EINIGE DER BLOGEINTRÄGE (AUS TIBET) IM NACHHINEIN.
Karin Koppensteiner 08.09.2018 Allgemein Keine Kommentare

Mein Leben ist ein Pilgerweg geworden. Jeder Tag ist eine Station und bringt mich oft wieder an einen neuen Ort. Jeder Platz, den ich verlasse, bleibt unwiderruflich zurück. Der Ort und der Lebenstag: habe ich ihn vergeudet, zu wenig geschätzt, oder habe ich alles vollkommen erlebt und geschehen lassen? Schließlich ist der Tag vergangen. Gemeinsam mit dem Ort und dem Tag haben wir uns zur Geschichte unserer Reise gewandelt. Ich reise weiter.
Am 18. August kommen wir auf unserer Fahrt nach Derge in Ost-Tibet, wo wir einige Tage verbringen werden. Die kleine Stadt ist der nordwestlichste Punkt unserer Reise und eines unserer wichtigsten Ziele.
Versteckt zwischen alten Wohnhäusern, in engen Gasssen, liegt ein kleiner Thangton Gyalpo Tempel. Der Eingang ist tagsüber offen. Die kleine Gonpa sei, so heisst es, während der Kulturrevolution vor Zerstörung bewahrt worden: die Anrainer füllten den Raum mit Getreide auf und erklärten den Bau zum Kornspeicher.
Im August 2018 unternahm ich mit meiner Familie eine Pilgerreise durch Kham/Osttibet. Geplant war, dass ich von unterwegs meinen Blog weiterführen würde. Die Realität war ganz anders als erwartet, und doch wunderbar. Ich veröffentliche also hier in kürzerem Abstand einige der Blogeinträge (aus Tibet) im Nachhinein.
Karin Koppensteiner 09.07.2018 Allgemein Keine Kommentare
Die Linde
Bei der Heimkehr von einem Spaziergang. An einem frühen Sonntagmorgen im Juli. Hinter mir ging gerade die Sonne auf, wie aus dem Wald hervortauchend. Als ich unter der blühenden Linde zu unserem Hof ging hörte ich im Vorbeigehen über mir ein webendes Summen. Es war ungewöhnlich, stark und schien überall zu sein. Ich blieb stehen, blinzelte in die Sonne und lauschte. Es waren unzählige Bienen – ein Bienenlied – überall. Ich schaute hinauf und blickte in eine Welt, die ich nicht betrete, obwohl sie so nahe ist: Die Baumkrone unserer alten Linde. Sie hat einen dicken Stamm und auch die Äste sind bis hoch hinauf – vielleicht zwanzig Meter über mir? – noch so stark wie Baumstämme.
Die Bienen, der Duft der Blüten, der schon die ganze Nacht hindurch ins Haus gedrungen war, der Boden auf dem ich stand – alles war diese eine Linde in einem Moment. Nicht einfach ein botanisches Ereignis, sondern mehr, ein durchscheinendes und mich durchdringendes System „Natur“.
Die Bewegung der Bienen klang wie ein Chor; nicht menschlich. Der Duft der tausenden von Lindenblüten war in mich eingedrungen; nicht nur durch die Atemwege.
Lange blieb ich unter den weit ausladenden Ästen stehen. Ich versuchte diesen Klang der – meist unsichtbaren – Bienen mit meinem Handy aufzunehmen.
Doch blieb mir später nur die Erinnerung an das Linden-Dasein, außergewöhnliches starkes tierisches pflanzliches liebliches wildes.
An diesem Tag begann ich diese Linde, diesen einen uralten Baum, in meinem Tagebuch zu beschreiben. Titel: Annäherung an einen Baum.