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Herz – Garten – Wildnis

17.03.2021 Allgemein Keine Kommentare

 

BLOG ZUM BUCH: «Freundschaft Genossin» ist ein neuer Roman an dem ich schreibe. In diesem BLOG will ich mehrmals pro Monat über die Arbeit am Text berichten.

 

In der vergangenen Woche habe ich wenig geschrieben, sondern vor allem gelesen, allerdings zu den Themen, die mich für den Roman beschäftigen. Ein kleines Taschenbuch in englischer Sprache war dabei: «Training in Tenderness» von Dzigar Kongtrul. Es ist ein Buch mit modernen Erklärungen zu Basisübungen im Buddhismus. Im Untertitel kommt der Begriff «Radical Openness of Heart» vor. Das ist es, worum es unter anderem in «Freundschaft Genossin» gehen soll.

Die Lektüre hat mich inspiriert. Es entstanden, fast nebenbei, einige Text-Skizzen. Sie sind in einem verlassenen wilden Gemüsegarten am Grünen See angesiedelt. «Silvias wilder Garten» ist schon im ersten Teil der Trilogie, «Der Pilgerweg heim» ein Symbol der Trennung und Wiedervereinigung von Wildnis und Zivilisation. Zwei der Protagonistinnen, Silvia und Nora, führen dort ein langes Gespräch über die verlorene Wildnis des Herzens.

Auch im neuen Roman ist «der Garten» für mich nicht nur Symbol für Erdung und Fruchtbarkeit, sondern auch ein Ort, wo erzählt werden kann, wo Worte sich einfinden, wo sich unser archaisches Erleben mit Zivilisation verbindet. Mehr will ich aber über den verwilderten Gemüsegarten in «Freundschaft Genossin» jetzt noch nicht schreiben.

Dieser BUCH-BLOG, als ein Versuch das neue Buch-Projekt von Anfang an zu begleiten, ist etwas zweischneidig. Kürzlich hatte ich das Gefühl, diesen rohen, noch sehr verletzlichen Text zu früh ins Rampenlicht geholt zu haben, vor seiner Geburt schon. Deshalb will ich mich in diesem BLOG, aber auch auf der Facebook Seite «Freundschaft Genossin» mehr auf den Prozess des Schreibens konzentrieren und weniger auf den dabei entstehenden Text.

Ein zweites Buch, in welchem ich in den vergangenen Tagen gelesen habe, ist ein grosser Bildband mit wunderschönen Fotos: «Das geheime Leben der Bäume». Obwohl ich mich über die etwas sehr schnoddrige Schreibe des Förster-Autors manchmal ärgere, finde ich – vielleicht gerade deshalb? – neuen Zugang zu Bäumen, zum Wald. Oft geht es dabei auf erfreulich sachliche Art um ein weiteres Thema, das im Buch-Projekt im Mittelpunkt steht: wie alles mit allem verbunden ist. Vom Buddhismus bis hin zu den neuen Wissenschaftstheorien ist man sich darüber einig: nichts ist ohne etwas anderes möglich.

Bäume, Blumen, Büsche, Gräser, sie sind seit meiner Kindheit wichtige Freunde und Begleiterinnen. Gutes Beispiel sind die Schneeglöckchen rund um unser Haus: plötzlich, meist Anfang März, tauchen die ersten aus der Wiese und unter dem Schnee hervor. Sie bringen die Idee des Frühlings in mein Leben, wenn noch Winter ist. Ich bewundere sie, vor allem die allerersten, gehe sie täglich besuchen, beachte sie, pflücke einige für eine winzige Vase, trage sie im Haus umher, immer dorthin, wo ich gerade bin. (Auf dem Foto ist auch eine Schneeflocke, rechts oben.)

Pflanzen werden, das habe ich auch als eine der Vorgaben für den Roman von Anfang an beschlossen, ebenfalls wichtiger Teil des Romans sein. Sie werden immer wieder in Erscheinung treten, auf mannigfaltige Art und Weise, auch als Helfer.

Unseren bereits zwanzigjährigen hochstämmigen Bambushain will ich in die Geschichte aufnehmen, verwandelt und auf wundersame Weise an den Grünen See transkomponiert. (Auf dem Foto oben ist er durchs Fenster zu sehen.) Oft im letzten Winter, der so lange war, habe ich den Bambus-Blättern im Wind durch die Fenster zugesehen. Immer wieder waren sie auch tageweise niedergedrückt von Schneelasten. Manche von den Riesengräsern  sind zerbrochen. Die meisten aber haben sich immer wieder aufgerichtet und stehen auch jetzt in verschiedenen Grüntönen leuchtend in den Sonnenstrahlen, wenn ich aus dem Fenster schaue. Wind regt sich heute nur in ihren Spitzen.

Wie erzählen?

15.10.2020 Allgemein Keine Kommentare

Im Blog vom September habe ich über meinen Rückzug an einen wilden Ort in der Südtoskana berichtet. Der Roman BONSAI ging in Produktion, ich hatte noch kein neues Projekt begonnen. Auch einen der Gründe für den Rückzug habe ich genannt: ich wollte in meinem Zustand der Ratlosigkeit verweilen. Nicht mehr genau zu wissen, wo und wie ich in unserer momentanen historischen Situation – an der Grenze des wirtschaftlich möglichen Wachstums – mich selbst wiederfinde. Wie gehe ich in meinem Alltag mit den Begrenzungen durch den  Covid-19 Virus um?

Ich wollte sehen, ob Inspiration, ob Neues in mein Leben tritt, wenn ich still verweile. Für diejenigen, die mit Kontemplation nicht vertraut sind, kann ich es mit einem anderen, vielleicht geläufigeren Bild beschreiben: Zu sitzen wie eine Jägerin und darauf warten, dass das Beutetier sich zeigt. Auch wollte ich einer offenen Frage betreffend die Kunst nachgehen, die mich beschäftigt:

Wie kann ich, wie können wir einander, Anfang des 21. Jahrhunderts noch einfach Geschichten erzählen? Ich bin überzeugt davon, dass sie nötig sind, doch ich frage mich: wie erzählen?!

In den vergangenen Wochen war ich sehr viel allein. Ich hatte einfache Begegnungen mit Tieren, mit Menschen, mit Freunden, mit mir selbst. Das Beobachten der Schafherde, die jeden Morgen  mit den Hirtenhunden an unserem Haus vorbeizieht, hat mir ebenso die Kraft zur Veränderung gegeben, wie der grosse Himmel und die wilden Gewitter – und natürlich meine Meditations-Praxis des tibetischen Buddhismus.

Ich hatte endlich Zeit ein Buch zu lesen, das schon längere Zeit auf dem Stapel meiner ungelesenen Bücher lag: Charles Eisenstein: «Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich».

Was mich an der Herangehensweise des US-amerikanischen Ökonomen und Philosophen Charles Eisenstein interessiert ist, dass er unsere Welt, die moderne wie die archaische, als von den Geschichten abhängig beschreibt, die wir über sie/diese Welt/uns selbst erzählen. Er teilt unsere kollektive Weltsicht, auch die der Geschichtsschreibung, ein in eine «Geschichte des Getrennt-Seins» (unser Geschichtsverständnis der letzten 2000 Jahre) und in eine Geschichte des «Interbeings» (des voneinander abhängigen Erscheinens der Phänomene), in dem sich alles als mit allem verbunden herausstellt.

Was immer wieder aus dem Erzählten und Reflektierten in diesem Buch hervorkommt, ist, dass er unser/mein/sein Verständnis der Welt abhängig macht davon, welche Art der Geschichte wir – uns selbst und einander – von einem bestimmten Ereignis erzählen. Und vor allem auch, mit welcher Absicht und wie wir uns unser Leben selbst erzählen.

Dieser Ansatz ist für mich sowohl als politischen Menschen, wie auch als Geschichtenerzählerin sehr inspirierend und passt zu meiner buddhistischen Weltsicht. Sicherlich hat der Autor auch Inspiration in der der buddhistischen Philosophie gefunden, wie viele andere unserer zeitgenössischen Wissenschaftler.

Aus der Inspiration dieser Lektüre ergaben sich verschiedene neue Sichten für mich, die ich hier gerne teilen möchte:

Indem ich eine Geschichte auf meine neue Art erzähle, als Heilung und der Nahrung für die Menschen auf diesem Planeten, trage ich direkt zu einer neuen Geschichts-Erfahrung der LeserInnen bei. Es hat mich gestärkt mir vorzustellen, dass meine Geschichten, dass die Mühe, die es mir manchmal bereitet, etwas so zu schreiben, das für mich relevant ist, auch diese Art von Früchten tragen wird. Die Erzählstränge werden, wie Fäden in eine Weberei, eingeflochten sein in eine grössere Erzählung, von uns Menschen. Es wird eine Erzählung sein, die ich jetzt noch nicht kenne, die wir aber alle dringend benötigen.

 

Schliesslich habe ich für mich, im Verlaufe der letzten Wochen, einen neuen Zugang zu meiner Arbeit und der Gabe des Schreibens gefunden:

«Ich schreibe lebenswichtige Nahrung für Menschen. Meine Geschichten sollen guter Proviant sein für alle diejenigen, die aufbrechen, in neue Zeiten.»

Ich bin die Augen meiner Welt

09.11.2019 Allgemein Keine Kommentare

 

Beim autobiografischen und beim Tagebuch-Schreiben kann es sein, dass wir uns sehr stark nach Innen wenden, uns vor allem auf uns selbst beziehen. Für einige Zeit kann das gut sein, doch ab einem bestimmten Punkt scheint es mir wichtig, sich als Schreibende auch als Teil einer größeren Welt zu erkennen.

In der philosophischen Betrachtungsweisen des Buddhismus gibt es ein gutes Beispiel, wie wir uns davor bewahren können, eine Situation zu stark durch die eigene Brille zu betrachten:

Ich bin für viele verschiedene Menschen immer jemand anderer –Tochter meiner Eltern, Mutter meiner Kindern, Schwester dem Bruder, Geliebte, Geschäftsfrau, Ehefrau meinem Mann, Großmutter den Enkeln, Nachbarin, Cousine, Politikerin, beste Freundin, Feindin. Wie kann ich also mit Sicherheit sagen, dass ich nur «eine Mutter» bin oder einfach «die Feindin», oder nur und ausschließlich «Tochter»?

Jeder Einzelne von uns ist einer von 7 Milliarden Menschen auf diesem schönen Planeten Erde. Jeder von uns begegnet seiner Welt auf  ganz eigene Art und Weise.

«Ich bin die Augen meiner Welt!» bedeutet, sich des vielschichten Universums der Gedanken und Wahrnehmungen bewusst zu sein, in dem  wir leben. Das ist nicht nur für das Schreiben wichtig.

 

Die Übung «Commons» im Kurs «Selbstausdruck als Quelle der Kraft» soll mithelfen, diese Vielfalt offen zu integrieren.