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Wie erzählen?

15.10.2020 Allgemein Keine Kommentare

Im Blog vom September habe ich über meinen Rückzug an einen wilden Ort in der Südtoskana berichtet. Der Roman BONSAI ging in Produktion, ich hatte noch kein neues Projekt begonnen. Auch einen der Gründe für den Rückzug habe ich genannt: ich wollte in meinem Zustand der Ratlosigkeit verweilen. Nicht mehr genau zu wissen, wo und wie ich in unserer momentanen historischen Situation – an der Grenze des wirtschaftlich möglichen Wachstums – mich selbst wiederfinde. Wie gehe ich in meinem Alltag mit den Begrenzungen durch den  Covid-19 Virus um?

Ich wollte sehen, ob Inspiration, ob Neues in mein Leben tritt, wenn ich still verweile. Für diejenigen, die mit Kontemplation nicht vertraut sind, kann ich es mit einem anderen, vielleicht geläufigeren Bild beschreiben: Zu sitzen wie eine Jägerin und darauf warten, dass das Beutetier sich zeigt. Auch wollte ich einer offenen Frage betreffend die Kunst nachgehen, die mich beschäftigt:

Wie kann ich, wie können wir einander, Anfang des 21. Jahrhunderts noch einfach Geschichten erzählen? Ich bin überzeugt davon, dass sie nötig sind, doch ich frage mich: wie erzählen?!

In den vergangenen Wochen war ich sehr viel allein. Ich hatte einfache Begegnungen mit Tieren, mit Menschen, mit Freunden, mit mir selbst. Das Beobachten der Schafherde, die jeden Morgen  mit den Hirtenhunden an unserem Haus vorbeizieht, hat mir ebenso die Kraft zur Veränderung gegeben, wie der grosse Himmel und die wilden Gewitter – und natürlich meine Meditations-Praxis des tibetischen Buddhismus.

Ich hatte endlich Zeit ein Buch zu lesen, das schon längere Zeit auf dem Stapel meiner ungelesenen Bücher lag: Charles Eisenstein: «Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich».

Was mich an der Herangehensweise des US-amerikanischen Ökonomen und Philosophen Charles Eisenstein interessiert ist, dass er unsere Welt, die moderne wie die archaische, als von den Geschichten abhängig beschreibt, die wir über sie/diese Welt/uns selbst erzählen. Er teilt unsere kollektive Weltsicht, auch die der Geschichtsschreibung, ein in eine «Geschichte des Getrennt-Seins» (unser Geschichtsverständnis der letzten 2000 Jahre) und in eine Geschichte des «Interbeings» (des voneinander abhängigen Erscheinens der Phänomene), in dem sich alles als mit allem verbunden herausstellt.

Was immer wieder aus dem Erzählten und Reflektierten in diesem Buch hervorkommt, ist, dass er unser/mein/sein Verständnis der Welt abhängig macht davon, welche Art der Geschichte wir – uns selbst und einander – von einem bestimmten Ereignis erzählen. Und vor allem auch, mit welcher Absicht und wie wir uns unser Leben selbst erzählen.

Dieser Ansatz ist für mich sowohl als politischen Menschen, wie auch als Geschichtenerzählerin sehr inspirierend und passt zu meiner buddhistischen Weltsicht. Sicherlich hat der Autor auch Inspiration in der der buddhistischen Philosophie gefunden, wie viele andere unserer zeitgenössischen Wissenschaftler.

Aus der Inspiration dieser Lektüre ergaben sich verschiedene neue Sichten für mich, die ich hier gerne teilen möchte:

Indem ich eine Geschichte auf meine neue Art erzähle, als Heilung und der Nahrung für die Menschen auf diesem Planeten, trage ich direkt zu einer neuen Geschichts-Erfahrung der LeserInnen bei. Es hat mich gestärkt mir vorzustellen, dass meine Geschichten, dass die Mühe, die es mir manchmal bereitet, etwas so zu schreiben, das für mich relevant ist, auch diese Art von Früchten tragen wird. Die Erzählstränge werden, wie Fäden in eine Weberei, eingeflochten sein in eine grössere Erzählung, von uns Menschen. Es wird eine Erzählung sein, die ich jetzt noch nicht kenne, die wir aber alle dringend benötigen.

 

Schliesslich habe ich für mich, im Verlaufe der letzten Wochen, einen neuen Zugang zu meiner Arbeit und der Gabe des Schreibens gefunden:

«Ich schreibe lebenswichtige Nahrung für Menschen. Meine Geschichten sollen guter Proviant sein für alle diejenigen, die aufbrechen, in neue Zeiten.»

Ratlos: Den September über habe ich mich an einen besonderen Ort in der Toskana zurückgezogen

19.09.2020 Allgemein Keine Kommentare

 

In den letzten Monaten habe ich keinen Tagebuch-Kurs mehr gegeben. Doch ich habe einen Roman zu Ende geschrieben, der bald publiziert sein wird. Deshalb habe ich beschlossen, mich auch in diesem BLOG für neue Themen zu öffnen.

Seit langer Zeit gebe ich hier Ratschläge und Tipps zum autobiographischen und dem Tagebuch schreiben. Der Blog war nicht nur für die Teilnehmenden an meinen Kursen gedacht, sondern für alle am Tagebuchschreiben Interessierte.

Nun will ich das Thema wechseln.

Deshalb habe ich mich für einen Monat in unser winziges Häuschen mitten in der Wildnis der Süd-Toskana zurückgezogen. Ich sehe viel mehr Tiere hier als Menschen, Tiere aller Art.

Vom ländlichen Bauernhof in Schongau in die Wildnis eines Hochtales im Naturschutzgebiet des Monte Labro ist ein grosser Schritt. Natur ist nicht gleich Natur. Wildschweine, Wölfe, Stachelschweine, Hirsche und Skorpione – als Nachbarschaft – sind sie mir wenig vertraut. Das trockene, karstige Bergland, die Schafherden, Esel, die wenigen Blüten, viele Stacheln. Diese Wildnis hier nicht nur zu ertragen, sondern mich in sie hineinbegeben, das ging langsam. Nachts sitze ich nun draussen und schaue ins Universum. Im Ohr habe ich ein Gewebe aus Zikaden-Klang und dazwischen sind die Solisten: Grillenlieder.

«Bonsai», zweiter Band einer Trilogie über das Älterwerden, Utopie des Herzens und die Wiedergeburt des Glücks, ist fertig geschrieben und lektoriert und wird gerade gelayoutet. Das Buch und das Hörbuch sollen beide Anfang November erscheinen. Ich habe etwas vollendet, ich lasse los. Jetzt ist Zwischenzustand, Stille, Alleinsein.

Bevor ich weiter schreibe will ich innehalten, mich nach Innen wenden, mich aufs Spiel setzen, nachfragen im Universum meiner Träume.

Mir ist beim Schreiben während der Corona-Pandemie wieder eine dringliche Frage aufgetaucht, nicht zum ersten Mal: Wie kann ich, wie können wir einander, Anfang des 21. Jahrhunderts noch einfache Geschichten erzählen? Ich bin überzeugt davon, dass sie nötig sind, doch ich frage mich: wie?!

2020 hat mich an die Grenze des klar Erzählbaren gebracht, zu viele Schichten schienen aufeinander zu kleben:

Der Lock-Down im vergangenen Frühling war ein entscheidender Rückzug für viele von uns. «Es war wie Weihnachtsfeiertage ohne Ende», so beschrieb es eine Bekannte kürzlich, «alles und alle kamen zur Ruhe, es wurde ganz still in der Stadt – wochenlang». Der Grund, war tragisch: die Covid -19 Pandemie verursachte und verursacht noch immer weltweit Angst, Leiden und viel Unsicherheit. Gleichzeitig also erlebten wir im März Gegensätzliches: «Gefahr im Verzug = Adrenalinspiegel hochfahren und Kampf- oder Flucht- Mechanismus einschalten» und «Einkehr = Herzrhythmus und das vegetative Nervensystem runterfahren, Stille». Wir mussten uns über Monate hinweg einem – auch körperlichen – Paradox stellen, das fast ohne Ausweichmöglichkeit ist. Wer meditieren kann, war dafür gut vorbereitet.

Die innere und äussere Stille, die ich persönlich pandemiebedingt zwischen März und Juni erlebte, war etwas, das ich lang ersehnt hatte. Ich empfand eine Entspannung in der Unsicherheit, die ich mir so nie zu wünschen gewagt hätte. Ich sollte zu Hause bleiben, ich sollte zu allen Menschen Abstand halten, ich sollte ruhig sein und mich entspannen, ich durfte nicht reisen, durfte nicht ins Ausland. Auch Familienbande schienen in der Gesellschaft nicht mehr wichtig, auch nicht, wenn es ans Sterben ging.

Von Außen betrachtet verlief mein Leben ähnlich wie sonst auch. Am Morgen machten wir gemeinsam eine Stunde Meditations-Praxis. Mein Atelier/Büro liegt direkt neben dem Wohnhaus. Ich arbeitete dort weiter wie immer. Zu Mittag traf ich meinen Mann in der Küche zum Essen, abends dachten wir gemeinsam über die Welt nach oder durchsuchten das Internet nach Information zur Orientierung über Gesundheit, Politik, Wirtschaft und Philosophie. Nach sechs Wochen erlebte ich eine zunehmende Abwehr gegen die widersprüchlichen Informations-Fluten.

Unser Gemüsegarten wurde in diesem Frühling intensiver bepflanzt wie in den Jahren davor. Wir gingen öfter als sonst in den Wald wandern. Ich backte mehr Kuchen als sonst. Virtuelle Zoom-Räume kam als Treffpunkt auf, wir sassen mit vollen Weingläsern vor dem Computer am Küchentisch und prosteten Menschen zu, die weit entfernt oder in anderen Ländern waren, teilten Ängste, Informationen und Sorgen. Das kleine Kamera-Auge oberhalb des Bildschirms wurde zu einem Tor in die (Cyber-) Welt.

Auf die Zeit im Ausnahmezustand folgte die herannahende ungewisse Zukunft, schwebend wie ein Ballon manchmal, oder schwer wie ein Kampfbomber aus Beton, je nach Weltsichten, die sich, wieder über Internet, überall hereindrängten.

Offen und überwältigt – so möchte ich meinen Zustand der letzten Monate beschreiben.

Und dieses Lebensgefühl der Überwältigung zog sich auch in die Kunst-Arbeit hinein.

Wie, bitte wie, soll ich schreiben? Im Internet-Stil, whatsapp Nachrichten gleich? Soll ich nur noch Meinungen und Gegenmeinungen schreiben? Welche Geschichten kann ich noch erzählen, wenn Fake-News als gelungenes Stilmittel zum vervollkommnen einer Lügengeschichte daherkommen? Was tun, wenn Videos so perfekt gefälscht werden können, dass es nicht mehr auffällt. Wann bin ich «modern»?

Was ist anders, wenn ich eine Geschichte erfinde? Wie schreiben, wenn Sprache fast nur noch zur Manipulation verwendet wird? Wie kann ich mir in Zeiten der 20 Sekunden Aufmerksamkeits-Spanne eines Lesers für einen Text die Naivität leisten, eine Geschichte von Utopien zu erzählen, vom Glauben an die Realität der Welt? Und das über Stunden?

Ratlosigkeit kann eine grossartige Ressource sein.

Meine Dzogchen Praxis ist eine Kraftquelle, die mir dabei hilft, nicht immerzu ins Beurteilen der Weltlage und auch nicht meiner eigenen Ratlosigkeit zu verfallen. Gegensätzliche Welten, ich kann euch ertragen!

Heute sitze ich am Küchentisch in dem kleinen Haus in der Toskana, wohin ich mich zurückgezogen haben, um freiwillig ratlos zu sein und mich in Kontemplation zu üben.

Ich weiss, es ist ein Luxus, den ich auch meinem Alter zu verdanken habe. Doch, weil ich mir die Ratschläge noch nicht ganz abgewöhnt habe: Ich kann nur allen Menschen, denen es möglich ist, raten, sich ratlos, liebevoll mit sich selbst und anderen und mit offenem Herzen zurückzuziehen. Wo auch immer die laute Stille der Wildnis ist, geh dort hin, übe dich in Meditation, empfinde die Freiheit des Augenblicks.

Kleiner Gurken-Gesang

07.08.2020 Allgemein Keine Kommentare

Tagebuch schreiben kann auch eine Kunstform sein, Dokumentation des Einfachen. Ich dokumentiere einen Moment der Inspiration oder beschreibe einfach das, was ist. Ein veröffentlichtes Tagebuch könnte man als Vorläufer der YouTuber-Kultur betrachten. Ich schrieb eine Zeitlang ein «Pflanzen-Tagebuch», hier ist ein Auszug daraus:

In meinem Gemüsegarten gibt es viele Welten für sich, Tierwelten, Erdwelten, unterirdische Welten, Pflanzenwelten und Zwischenwelten. Ein Universum  ist jenes der Klettergurken. Kreativ und scheinbar ungebremst wuchern sie, wenn genug Wasser und Bodennahrung vorhanden ist. In einem Geschäft kaufe ich Gurken (lat. Cucumis sativus) aus dem ewigen Glashaus eher nicht. Meine kleinen Cornichon-Pflanzen jedoch finden jedes Jahr wieder Platz im Gemüsegarten. Sie ranken sich wie reine Poesie um von mir gestaltete Gerüste aus Bambusstöcken, in einem Jahr, oder aus Haselholz, in einem anderen Jahr.

 

Gurken sind Beeren, erfahre ich in Wikipedia, nicht ganz zu meiner Überraschung, und zwar «Panzerbeeren». Ihre Schalen sind ja oft hart, ganz anders als die Schalen der schwarzen Johannisbeeren, die heute am Gartenzaun überreif an den Ästen ihres Strauches hängen. 

Meine kleinen Gurken haben nicht nur eine hell-dunkel gestreifte Schale, oder sind dunkelgrün wie Tannennadeln, sie haben auch feste Stacheln. Stacheln, die biegsam sind und zäh, die in meiner Handfläche hängen bleiben wenn ich die Gurken zu heftig von ihrem Strauch wegreiße. Diese Stacheln wasche ich von der Schale einer Gurke weg, bevor ich sie über meine Lippen hinwegziehen lasse, die süssen, kleinen, saftigen schmackhaften Cornichon-Stückchen, direkt auf meine Zunge, hinein in meinen Mund, ungeschält.

Was ihren Namen betrifft, Gurke, so kommt er angeblich aus dem Slawischen – oder aus dem Mittelgriechischen. Das bedeutet, dass die Gurken wahrscheinlich bei uns in Mitteleuropa bis ins 16. Jahrhundert unbekannt waren. Kein deutschsprachiges Wort für eine fremde Frucht. Es gibt seltsame alte Namen für diese grüne Beere: «Umurke», das war in Wien noch gebräuchlich, als ich ein Kind war. «Gugummere» wurde sie in der Schweiz genannt, und im süddeutschen Raum „Guckummer».

Die Botaniker haben eine Gurkentheorie, nach der die Urahnen aller Gurken ursprünglich aus einer Wildform in Indien gezüchtet worden war, vor etwa 2000 Jahren. Abweichungen von dieser Theorie liefern Genetiker. Ihre Theorie lautet, dass die einzige Gurke mit ähnlicher Genetik wie unsere Gartengurke aus Afrika stammt. Weil Indien und Afrika die letzten 2000 + Jahre etwas weit auseinander liegen und Wissenschafter sich ungern Blößen geben, wird die Herkunft nicht besonders erwähnt. Man bleibt vage im Osten – Balkan oder Griechenland – dort liege der Ursprung der Gurke.

Meine Meditation vor dem Gurkengerüst ist einfacher: Die Gurke ist hier, sie wächst. Alles ist so vollkommen – die kleinen gelben Blüten, schon borstig auch sie, die haarigen Blätter und Ranken, die kratzigen Stengel und Stengelchen; die winzigen und die kleinen Gurken, die größeren und sogar ein wenig zu früh gelbrandig geworden Blätter im Gewirr der Pflanze.

ANREGUNG ZUM SCHREIBEN: Nimm ein Ding oder einen Teil aus deinem alltäglichen Leben und schreibe über einen längeren Zeitraum hinweg täglich darüber. Als Beispiel habe ich hier einen Auszug aus dem «Pflanzen-Tagebuch» veröffentlicht, das ich 2017/18 über die Pflanzen in meiner Umgebung – Sommer & Winter – geschrieben hatte.

Meditation // Schreiben // Corona-Pandemie

08.07.2020 Allgemein Keine Kommentare

 

Wenn ich erkläre, was meine Kurse von anderen Schreib-Kursen unterscheidet ist der Schlüsselbegriff dabei «Meditation».

«Meditation», so wie ich sie erlernt habe und seit 40 Jahren täglich praktiziere, greift auf das zurück, was bereits vorhanden ist. Um zu meditieren, müssen wir nichts hinzufügen oder neu erschaffen. Alle großen spirituellen Traditionen der Erde haben Methoden entwickelt, damit jeder Mensch mit dem eigenen wahren Wesenskern (wieder) in Kontakt sein kann.

Warum sollte ich mit meinem Wesenskern in Kontakt kommen wollen? Die Antwort, die ich für mich selbst gefunden habe, ist folgende: Die Quelle der Kreativität und der Lebenskraft jedes einzelnen Menschen liegt oft im Verborgenen. Manchmal geschieht spontane Annäherung an diese Kraftquelle, man spricht dann vom Zustand des «Flow», davon ein «Flow-Erlebnis» gehabt zu haben. Tiefe Gefühle des Eins-Seins werden sowohl von Extrem-Sportlern, Bergsteigern, Marathonläufern, als auch von Künstlern als Momente kurzen Eins-Seins beschrieben. Das ist eine tiefe Erfahrung, jedoch nicht Meditation.

Meditierende können in diesen Zustand nach einiger Übung anfangs bewusst ein- und wieder austreten. Später lernen sie, im stetigen und bewussten Kontakt mit dem eigenen, tiefen Wesen zu leben. Alle, die einmal persönlich erlebt haben, wie viel Energie frei wird, wenn die alten Denkmuster und Blockaden plötzlich überlistet sind, weiß, worauf ich hinaus will:

Ein spontaner Durchbruch ins Reich der eigenen kreativen Potenziale ist immer eine prägende Erinnerung. Doch oftmals bleibt es bei kurzer Berührung mit diesem Zustand. Dann übernehmen die alten Denkmuster wieder die Führung: „Ich bin eben nicht begabt.“ – oder: „Ich bin eben nicht begabt genug.“

Erleben wir den kraftvollen, schöpferischen Zustand, einen spontanen Durchbruch, nicht als einzigartiges Ausnahmegefühl, sondern als ein feines Netz kleiner, positiver Erfahrungen, oder wie einen Busch voll verborgener Beeren, die wir nur zu pflücken brauchen, dann ist die Wirkung auf das Leben nachhaltig. Danach kann diese Erfahrung des So-Seins besser in den Alltag integriert werden. Langsam können sich im Laufe der Zeit neue Glaubenssätze bilden, wie etwa: „Alle Früchte stehen mir zur Verfügung. Ich bin genauso begabt, wie alle anderen. Vielleicht sollte ich mich ein wenig mehr anstrengen, als ich gedacht habe.“

Kreativität kann durch regelmäßige Meditation, irgendeine Art der Meditation, wohlgemerkt, genährt und gestärkt werden. Wichtig dabei ist, dass diese Meditation eine erprobte Form hat. Direkt und auf freudvolle Art soll sie wahrhaft den eigenen inneren Wesenskern kontaktieren. Sind wir authentisch, fliesst die Quelle der Lebenskraft und so auch der Schaffenskraft, ungehindert. Dort finden wir den Ort der Selbstheilung. Jeder, der diesen geheimen Ort in sich selbst findet, findet ihn auch gleichzeitig für alle anderen, für die Welt. Das ist eine Form wunderbar nachhaltiger Evolution.

Ich beginne bei mir, ich beginne heute.

Wer will sich nicht gerne direkt, liebevoll und sorglos selbst ausdrücken? Und gleichzeitig das in die Welt bringen, was hier dringend gebraucht wird: liebevoller und schöpferischer Umgang mit der Lebensenergie aller.

In diesen Zeit der Corona-Pandemie, in der sich auf unserem Planeten sichtbar und unaufhaltsam so viel verändert, werden genau diese kreativen Eigenschaften des Lebens und der Kunst zu Überlebens-Werkzeugen.

Mit Meditation und kreativer Alltagsbewältigung öffnen wir Wege zu unserer eigenen Quelle der Kraft. Und – wenn wir Glück haben – stoßen wir dabei auch noch auf die unendlichen Energie-Reserven die uns als Menschheit kollektiv zur Verfügung stehen.

Ich freue mich auf gemeinsame Arbeits-Stunden bei den Kursen im 2. Halbjahr 2020. Gemeinsam machen wir uns wieder auf den Weg hin zu unseren kollektiven und persönlichen Kraft-Quellen.

Meine Kurse nehmen gerade eine neue, pandemiegerechte Form an:

*) Das bedeutet – weniger Teilnehmende;

*) Einige Übungen werden, wegen des neuen Sicherheitsabstands, gegen andere ausgetauscht;

*) Ich arbeite an einem Live-Webinar (ab September)

*) Ab September biete ich weiterhin Einzel-Sitzungen für das Buch-Coaching an, neu auch via Zoom 

*) Die Kurse zum Autobiographischen Schreiben als Kurzfassung in Einzel-Sitzungen, sowohl via Zoom als auch «Live».

Meditation – Authentisch – Spirituell

21.02.2019 Allgemein Keine Kommentare

 

Ich möchte mich dem Thema Meditation und Tagebuchschreiben weiter annähern. Warum biete ich in meinen Kursen an, Meditation, Stille und autobiografisches Schreiben zu verbinden?

Es tauchten kürzlich Fragen auf, wie: „Was ist dieser «authentische Zugang» zu mir selbst? Was hat das mit «Spiritualität» zu tun? Und wozu brauche ich die?“ Gute Fragen, gute Antworten:

Schreiben – auch autobiografisches und Tagebuchschreiben – ohne authentischen Zugang zur tiefen Wahrnehmung von eigener Befindlichkeit, Gefühl und Bedürfnissen ist Zeitverschwendung. Ohne Selbstkontakt beschreibe ich im Tagebuch bestenfalls eine Welt, die nicht wirklich etwas mit mir zu tun hat und über Probleme mit anderen, die auch nicht wirklich mit mir zu tun haben. Was ich schreibe erscheint dann sogar mir selbst belanglos oder schal. Ich höre nach einigen Tagen wieder auf ein Tagebuch zu führen. Der Kontakt zu den tieferen Schichten meiner Existenz habe ich damit erfolgreich verhindert.

Ist mir hingegen «meine Spiritualität» wichtig, dann suche ich Einheit hinter dem Kaleidoskop der alltäglichen Ereignisse. Viele Menschen finden einen Vorgeschmack, eine Annäherung an diese Ganzheit, in der Natur der Bergwelt, im Sport oder in der Sexualität. Manche geübte Meditierende finden sie überall, in innigem Dasein, ohne Suche nach äußeren Reizen.

In der «Meditation» bin ich bewusst ganz mit mir, so wie ich mich gerade vorfinde, mit dem Lärm meiner Gedanken, dem juckenden Unterarm und dem Straßenlärm von draußen. Bleibe ich dabei, alles so zu belassen, wie es ist, und einfach mit mir da zu sein wo ich bin, kann langsam oder schnell eine tiefe Ruhe einkehren. Beschrieben haben es Menschen mit: „Ich bin bei mir angekommen“ oder: „Noch vorhin war ich so unruhig und gehetzt, jetzt scheint mir das alles nicht mehr so wichtig. Es ist schön einfach hier zu sitzen“.

Dann kann ich das Heft aufschlagen, aus dem Fenster oder in meine Traumwelt schauen und alles aufschreiben, was gerade ist oder was mir durch den Kopf geht. Einfach so. Vielleicht in einer wunderbaren Wintervollmondnacht.

 

 

 

«Spontaner Selbstausdruck – Meditation – Schreiben» das sind weiterhin die Themen dieser Serie von Blog-Beiträgen.

Spirituelle Gesundheit?

10.02.2019 Allgemein Keine Kommentare

«Buddhi», Tonfigur, Darstellung des Weisheitsaspekts

Machen Sie sich jemals über Ihre eigene spirituelle Befindlichkeit Sorgen? Ist ihr spirituelles Wohlbefinden im Gleichgewicht?

Gesundheits-Vorsorge betrifft im Allgemeinen den eigenen Körper, das was gesehen und gemessen werden kann.  Auch das, was geistig als gesund gilt, ist mehr oder weniger allgemein bekannt. Behandlungen, sowohl für körperliche als auch für geistige Erkrankungen können wir erhalten. Doch wie viele Menschen haben sich über eine mögliche spirituelle Erkrankung Sorgen gemacht?

Wir leben in einer Zeit, in der vielen Menschen nicht klar ist, ob sie spirituelles Wohlbefinden benötigen. Ich finde, wir sollten uns nicht nur um unsere körperliche und geistige Gesundheit kümmern, sondern auch um die spirituelle. Meine Aussage löst möglicherweise bereits innere Unruhe bei der Leserin aus. Das wiederum kann zu neuen Fragen führen.

Spirituelles Sein? Was ist das? Ich versuche hier eine Annäherung:

Als praktizierende Buddhistin nähre ich mein spirituelles Leben mit einer Vielzahl an alten, wohlerprobten Praktiken, die ich im Laufe von Jahrzehnte von wunderbaren Lehrern  erlernt habe. Ich habe sie ebenso lange und täglich geübt. Ohne Wohlwollen, Güte, Respekt und Hingabe ist Spiritualität wie ein hohles Ei, auch das habe ich gelernt.

Dank meiner Spiritualität kann ich jenseits von Extremen ganz sein, Erfahrungen jenseits von Zeit und Raum machen. Dank ihr habe ich Zugang zu meinem Menschsein. Habe Zugang zu jenem Teil von mir, der sich unendlich weiter entwickeln kann, der ahnt, dass zwischen Leben und Tod keine scharfe Grenze gezogen ist.

Doch hat Spiritualität, wie ich sie verstehe, nicht unbedingt mit Religion zu tun. Obwohl jede Religion in ihrem Kern alte Traditionen für den Zugang zur eigenen Spiritualität besitzt. Ist Religion jedoch ein Wegweiser in irgendeine Art von Herrschertum oder Extremismus, hat sie ihre Spiritualität und daher ihren Wert für uns Menschen verloren.

Mittels aktiver und gesunder Spiritualität kann ich mich auf tiefgründige und vollkommene Art mit der Welt verbunden fühlen.

Vielleicht könnte man sagen, gelebte gesunde Spiritualität ist das Gegenteil von dem Lebensgefühl der Isolation? Fehlt Spiritualität, oder ist sie krank – was kann sie ersetzen? Fernsehen, Fernreisen, Feindbilder?

Ein Punkt Zeit

06.01.2019 Allgemein Keine Kommentare

 

Punkt für Punkt, Schritt für Schritt, Zeitpunkt um Zeitpunkt. Viele Menschen verstehen die Zeit als eine Linie, den Moment, in dem wir jetzt sind als einen Punkt auf dieser Linie. Was, wenn die Zeit aber als eine Kugel betrachtet würde? Wieder ist der Moment, in dem wir uns befinden ein Punkt. Punkt.

Durch angeleitete und erprobte Meditations-Techniken lernen wir diesen Moment, das hier und jetzt, konkret werden zu lassen. Zeit wird zur konkreten Erfahrung. Wir treiben nicht mehr in Phantasien, was wir in der Vergangenheit hätten anders machen sollen, und beschäftigten uns auch nicht mit Projekten für die Zukunft. Im gegenwärtigen Moment sind wir hier und wir tun, was wir tun.

Ein Freund erzählte mir, dass er Autofahren als gute Meditations-Übung ansieht: „Beim Autofahren muss ich ohnehin immer präsent sein, so kann ich auf der Autobahn üben, wie stabil meine Meditation ist. Kann ich sie beibehalten, im Straßenverkehr?“ Gegenwärtig im Moment entspannt verweilend, können wir autofahren, mit unseren Kindern spielen, Skulpturen machen, Gartenarbeit erledigen oder – eben auch schreiben.

Dem Fluss des Schreibens folgen ist die hohe Kunst des Schreibens. Bereits im Tagebuch können wir üben, ganz gegenwärtig das aufzuschreiben, was uns gerade jetzt bewegt, durch den Kopf geht, das Herz erwärmt. Für innere Zensoren ist da weder Zeit noch Raum.

So kommen wir unser wirklichen Befindlichkeit, uns selbst, näher. Das ist der Schreib-Weg.

 

Meditation und Stille

20.12.2018 Allgemein Keine Kommentare

 

Das Thema der Blogeinträge der nächsten Monate ist, wie schon angekündigt, Meditation und Kunst.

 

 

Meditation bringt aus der Stille Bewegung hervor. Sich zurückzuziehen bringt den geschäftigen Geist zur Ruhe. Das klingt wie ein Gegensatz, ist aber keiner.

Um aus dem vollen Brunnen der Kreativität schöpfen zu können, muss man zuerst einmal in der Lage sein, diesen Brunnen zu finden. Im Alltag glauben wir manchmal, wir müssten nur „alles unter Kontrolle“ haben, dann könne ja nichts schief gehen. Manchmal, etwa wenn wir pünktlich zu Terminen erscheinen, oder das Auto im Straßenverkehr souverän lenken wollen, ist diese Kontrolle auch nützlich.

Stehen wir allerdings vor neuen Herausforderungen und unser altes Repertoire, unsere Erfahrungen, reichen nicht mehr aus, kann es hilfreich sein, sich erst einmal aus dem Geschehen zurückzuziehen. „Ich meditiere jetzt ein bisschen“, nennen das manche. Rückzug, Alleinsein, Stille, aus dem Fenster schauen, ein Vollbad im Halbdunkeln – irgendwann beruhigt sich der Geist. Die Gedanken verlangsamen sich, die innere Hektik lässt nach. Nur – das ist noch lange nicht«Meditation». Das ist einfach „sich abregen“, als Gegensatz von „sich aufregen“.

Meditation bedeutet für mich, alte, seit langem überlieferte Meditations-Techniken anzuwenden, um mit tiefen Schichten meines Menschseins wieder in Kontakt zu kommen. Diese Techniken sollten, nachdem sie erklärt wurden, auch geübt werden. Während des Übens kann es anfangs schwierig sein, innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Gedanken schwirren durcheinander, wie nie zuvor. Oder besser: wir bemerken plötzlich, wie viele Gedanken gleichzeitig schwirren können. Beachten wir sie nicht, wird auch die Bewegtheit weniger. Neue Ebenen, bisher unbekannte Welten werden sichtbar und erfahrbar.

Tief durchatmen, Stille. Dann – ein Gedanke taucht auf, fliegt auf, wie ein Vogel, verschwindet. Stille.

Was ist Meditation?

04.12.2018 Allgemein Keine Kommentare

Das Thema der Blogeinträge der nächsten Monate ist, wie schon angekündigt, Meditation und Kunst. Deshalb möchte ich die neue Serie mit der Definition von Meditation beginnen. Ich habe den Begriff absichtlich weit gefasst, da es auf unserem Planeten viele authentische Quellen von Meditation gibt, jenseits von Religion oder Kultur.

Was ist Meditation?

Zum Einstieg möchte ich hier kurz beschreiben, was ich als «Meditation» betrachte.

Ich fasse diesen Begriff sehr weit und sage: Meditation ist für mich eine Zeit der Einkehr. Ich kehre in einen tiefgründigen Teil von mir selbst zurück, der jenseits von Zeit und Raum existiert. Meditation bedeutet für mich diesen Ort in mir kennenzulernen, zu kultivieren, den Raum zu erweitern, wunderschöne, unerwartete aber auch erschütternde Erfahrungen dabei zuzulassen.

Nach vierzig Jahren Ausbildung bei hervorragenden tibetischen Dzogchen Meistern und intensiver persönlicher Praxis des tibetischen Buddhismus, nenne ich diesen Raum nicht beim Namen. Und zwar einfach deshalb, weil er jenseits von Namen und Wörtern vollkommen vorhanden ist. Regelmässiger und offener Zugang zu diesem Ort findet einzig in der Meditation statt, anfangs formell, in kurzen oder längeren Zeitspannen. Später kann Meditation auch den Alltag durchdringen und damit eins werden. Meditation kann laut oder leise, bewegt oder ganz still sein. Für Anfänger auf dem Weg sind die ersten Schritte voller Enthusiasmus. „Beginners Mind“ wird diese erste Phase der Erfahrungen und meditativen Erlebnisse auch genannt. Bald nach den ersten Monaten oder Jahren der Übung in Meditation kommt eine Kreuzung: wer Meditation als Wellness betreiben will, verweilt in eine der vielen neuen Schulen für Meditations-Wellness.

Tür in Kham, Osttibet, Foto: KK

 

Diejenigen, die intuitiv verstehen, dass der Pfad der Meditation aus Gold ist und doch ein steiniger sein kann, folgen den alten authentischen Lehrwegen. Dabei treffen wir immer wieder auf uns selbst und das ist nicht immer angenehm. Manchmal stockt auch der meditative Lebensweg, wir sind erschöpft, wollen nicht mehr weiter, wozu auch? Dann – nicht aufgeben! Weitergehen, sich selbst im Spiegel erblicken, nichts tun.

 

Immer wieder geht eine Türe auf. Auch wenn sie vorher verschlossen war.

 

 

Schreib-Retraite

28.10.2018 Allgemein Keine Kommentare

 

 

Mit viel bedrucktem Papier in Aktenordnern und Mappen habe ich mich für ein verlängertes Wochenende ins Unterengadin zurückgezogen. In Abgeschiedenheit und Stille will ich entscheiden, welches die Endfassung von BONSAI wird, einer Geschichichte an der ich seit drei Jahren immer wieder schreibe. Ich möchte abschliessen, um Neues beginnen zu können. Die verschiedenen Versionen zwischen 2016 und 2018 ergeben etwa 250 A4 Seiten zu lesen. Einiges kann ich schon auswendig. Nach zwei Tagen ist das Chaos von „Copy & Paste“ vollkommen. Ich muss hinausgehen! In der Zwischenzeit hat es eine Nacht lang geschneit und der Strom war zeitweise ausgefallen. Am Spätnachmittag des Sonntags gehe ich eine kleine Alpstrasse entlang. Der Schnee, auf den es tagsüber geregnet hat, wird aquamarinweiss. Das ist ein seltener Moment. Ich will ihn auskosten, anstatt weiter grübelnd durch die Landschaft zu gehen. Diesen ersten Schnee will ich spüren, kosten. Ich nehme eine grosse Handvoll und werfe ihn aufwärts. Der Ball zielt hinauf in den blaugrauen Abendhimmel und kommt dann direkt auf mich zurück. Ich fange ihn, unversehrt landet er in meinen Händen. Ein Moment des Glücks – etwas ist von selbst gelungen. Nun kann ich wieder zurück ins Dorf gehen, mich an den Tisch setzen und weiter arbeiten.

 

Unterwegs fotografiere ich noch dieses Sgraffito über dem Fenster eines Engadinerhauses.  Der kleine Vogel wird von etwas grösserem, einem mysthischen Vogelgeschöpf, genährt.

Authentisch schreiben

09.10.2018 Allgemein Keine Kommentare

Authentisch und aus mir selbst heraus die Welt beschreiben – so will ich mein Tagebuch führen. Das klingt einfach und wer es versucht hat weiss wie komplex dieses Vorhaben ist. Wir brauchen zuerst den richtigen Platz. Es kann ein winziges Tischchen sein (wie hier auf dem Foto im Hotelzimmer im tibetischen Derge, Kham auf meiner Tibetreise vergangenen Sommer), wo ich jede Stunde des Alleinseins nutzte, um mein Reisetagebuch zu führen. Die tägliche Menge an Sinneseindrücken, emotionalen und spirituellen Erfahrung, war manchmal fast zu gross und so war ich froh, konnte ich mich zum Schreiben zurückziehen. Eine zweite wichtige Voraussetzung um authentisch zu schreiben ist es mit sich selbst, mit den tieferen Schichten der eigenen Person in Kontakt zu sein. Sonst kann es geschehen, dass frau einen banalen Schulaufsatz statt eine Reportage der eigenen Befindlichkeit und Wahrnehmungen ins Tagebuch schreibt. Unzufrieden damit geben Viele wieder auf und sagen: „Tagebuch schreiben ist schon gut, aber ich schaffe es nicht.“

Eine einfache Übung, um an einem solchen Punkt weiterzumachen ist folgende: Sitzen, sich entspannen, vor allem die Hände, Arme und Schultern. Ungekünstelt ein- und ausatmen. Dem eigenen Atem zuhören. Danach: sich sanft umschauen. Ein weiterer Schritt, wenn das nicht genügt, um wieder in guten Selbstkontakt zu kommen ist dieser: Sich umsehen und die Dinge, die man wahrnimmt, benennen, mit ihrer Farbe und Form. Also zum Beispiel: ‚Stehlampe, grau, Lampenschirm elfenbeinfarben‘. Fortfahren für etwa zwei Minuten. Das ist nur eine geistige Lockerungsübung, wir lassen sie bald wieder hinter uns. Danach kann man wieder zum eigenen Atem, dem Sitzen, der Befindlichkeit an dem Ort, wo frau gerade ist zurückkehren. Gelingt das diesmal, dann einfach den Faden wieder aufnehmen und – Tagebuch schreiben.

 

 

Authentisch zu schreiben bedeutet nicht, dass alles gut ist und schön klingt. Es geht darum, das zu Schreiben, was gerade bewegt, oder im Vordergrund steht. Gerade die Untiefen und Risse in unserer Welt sind es, die uns oft sehr beschäftigen. Speziell wenn wir auch die Rückseite der Dinge wahrnehmen wollen.

Bilder einer Reise

13.09.2018 Allgemein Keine Kommentare

Auf unserer Reise in einem Pkw mit Fahrer und Übersetzer durch Osttibet sind mir immer wieder alte idyllische Vorstellungen über die Bewohner von Kham durch den Kopf gegangen. Bald war ich in der Gegenwart angekommen, die alten Vorstellungen/Bilder waren vergessen. Ich bin Widersprüchen, Stolz und Strassenbau, verschmutzen Flüssen, grossen Khampa-Hochzeitsfesten im Hotel, Sehnsuch und motorradfahrende Mönchen begegnet, reitenden Hirtennomaden und goldenen Tempeldächern. Die extreme Weite der Bergwelt auf dem Dach der Welt hat mich für immer verändert.

Täglich fand ich ich mich ohne Referenzpunkt wieder – öffnete meine Wahrnehmung und war im Neuland. Die Suche nach der Idylle gab ich auf. Zuerst waren es die Fotos, die eine Metapher für das Viele, das ich erfuhr, aber nicht aussprechen konnte und wollte, ausdrückten. Das Femde, das Schweigen, eine Mauer.

Ich fand «Die Türe» als Öffnung in der Wand, später noch den Spalt, den Riss als Ausdruck dessen, das mich bewegte und beunruhigte. Natürlich habe ich versucht, viel von dem zu fotografieren, was mir begegnete. Doch vor allem waren es Mauern und Öffnungen in Mauern, denen zunehmend meine künstlerische Aufmerksamkeit galt. Wie diese Lehmwand mit Tür in Adzom Gar in der Präfektur Gandze.

 

 

 

IM AUGUST 2018 UNTERNAHM ICH MIT MEINER FAMILIE EINE PILGERREISE DURCH KHAM/OSTTIBET. GEPLANT WAR, DASS ICH VON UNTERWEGS MEINEN BLOG WEITERFÜHREN WÜRDE. DIE REALITÄT WAR GANZ ANDERS ALS ERWARTET, UND DOCH WUNDERBAR. ICH VERÖFFENTLICHE ALSO HIER IN KÜRZEREM ABSTAND EINIGE DER BLOGEINTRÄGE (AUS TIBET) IM NACHHINEIN.

Auf Reisen sein – August 2018

08.09.2018 Allgemein Keine Kommentare

 

 

 

Mein Leben ist ein Pilgerweg geworden. Jeder Tag ist eine Station und bringt mich oft wieder an einen neuen Ort. Jeder Platz, den ich verlasse, bleibt unwiderruflich zurück. Der Ort und der Lebenstag: habe ich ihn vergeudet, zu wenig geschätzt, oder habe ich alles vollkommen erlebt und geschehen lassen? Schließlich ist der Tag vergangen. Gemeinsam mit dem Ort und dem Tag haben wir uns zur Geschichte unserer Reise gewandelt. Ich reise weiter.

Am 18. August kommen wir auf unserer Fahrt nach Derge in Ost-Tibet, wo wir einige Tage verbringen werden. Die kleine Stadt ist der nordwestlichste Punkt unserer Reise und eines unserer  wichtigsten Ziele.

Versteckt zwischen alten Wohnhäusern, in engen Gasssen, liegt ein kleiner Thangton Gyalpo Tempel. Der Eingang ist tagsüber offen. Die kleine Gonpa sei, so heisst es, während der Kulturrevolution vor Zerstörung bewahrt worden: die Anrainer füllten den Raum mit Getreide auf und erklärten den Bau zum Kornspeicher.

 

Im August 2018 unternahm ich mit meiner Familie eine Pilgerreise durch Kham/Osttibet. Geplant war, dass ich von unterwegs meinen Blog weiterführen würde. Die Realität war ganz anders als erwartet, und doch wunderbar. Ich veröffentliche also hier in kürzerem Abstand einige der Blogeinträge (aus Tibet) im Nachhinein.

Annäherung an einen Baum

09.07.2018 Allgemein Keine Kommentare

 

Die Linde 

Bei der Heimkehr von einem Spaziergang. An einem frühen Sonntagmorgen im Juli. Hinter mir ging gerade die Sonne auf, wie aus dem Wald hervortauchend. Als ich unter der blühenden Linde zu unserem Hof ging hörte ich im Vorbeigehen über mir ein webendes Summen. Es war ungewöhnlich, stark und schien überall zu sein. Ich blieb stehen, blinzelte in die Sonne und lauschte. Es waren unzählige Bienen – ein Bienenlied – überall. Ich schaute hinauf und blickte in eine Welt, die ich nicht betrete, obwohl sie so nahe ist:  Die Baumkrone unserer alten Linde. Sie hat einen dicken Stamm und auch die Äste sind bis hoch hinauf – vielleicht zwanzig Meter über mir? – noch so stark wie Baumstämme.

Die Bienen, der Duft der Blüten, der schon die ganze Nacht hindurch ins Haus gedrungen war, der Boden auf dem ich stand – alles war diese eine Linde in einem Moment. Nicht einfach ein botanisches Ereignis, sondern mehr, ein durchscheinendes und mich durchdringendes System „Natur“.

Die Bewegung der Bienen klang wie ein Chor; nicht menschlich. Der Duft der tausenden von Lindenblüten war in mich eingedrungen; nicht nur durch die Atemwege.

Lange blieb ich unter den weit ausladenden Ästen stehen. Ich versuchte diesen Klang der –  meist unsichtbaren – Bienen mit meinem Handy aufzunehmen.

Doch blieb mir später nur die Erinnerung an das Linden-Dasein, außergewöhnliches starkes tierisches pflanzliches liebliches wildes.

An diesem Tag begann ich diese Linde, diesen einen uralten Baum, in meinem Tagebuch zu beschreiben. Titel: Annäherung an einen Baum.