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Was ist der Unterschied zwischen Tagebuchschreiben und autobiografischem Schreiben?

20.08.2019 Allgemein Keine Kommentare

 

Das ist eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird. Deshalb versuche ich sie hier kurz zu beantworten, auch für mich selbst. Grundlage der Ideen für die Übungen in meinen Kursen ist, dass jede unserer kreativen Handlungen aus demselben Gebiet in und um uns entsteht. Sie werden sozusagen von der gleichen Quelle gespeist.

In meinen Workshops sind zwar verschiedene Themen vorgegeben: <Tagebuch schreiben als Quelle der Kraft> oder <Reisetagebuch> oder <Einfach erzählen>. Doch ich versuche bei jedem Kurs anfangs klar darzustellen, wo unser momentaner Ausgangspunkt ist und wo wir uns während des Kurses gemeinsam hinbewegen wollen.

Ein Sprichwort sagt: „Alle Wege führen nach Rom“.

Was meine Workshops betrifft, so sehe ich dieses Bild umgekehrt: Aus einer Kraftquelle können viele Bäche und daraus wieder Ströme entstehen.

Deshalb machen wir uns mit der Quelle unseres authentischen Schaffens vertraut. Dann können wir Tagebuch schreiben, Foto-Notizbücher führen, autobiografisch nur für uns selbst Schreiben. Oder auch unsere Lebensgeschichte für unsere Kinder oder Enkel aufschreiben. Es kann auch eine Geschichte für ein größeres Publikum entstehen.

Einmal mit dieser immer vorhandenen inneren Quelle in Kontakt gekommen, fließt das Wasser der Schaffenskraft ungehindert. Im kreativen Akt entspannen wir uns, erweitern wir unsere Möglichkeiten, überraschen wir uns selbst und die anderen.

Haben wir einmal diese Quelle entdeckt, können wir – auch auf Durststrecken – immer wieder zu ihr zurückkehren.

Reisetagebuch

27.03.2019 Allgemein Keine Kommentare

 

Hier ist der Auszug aus einem Kapitel des Buches, an dem ich gerade schreibe.  »Khampa» ist der Arbeitstitel. Es basiert teilweise auf dem Reisetagebuch, das ich im August/September 2018 auf einer Reise durch Kham/Osttibet führte.

 

Der bisherigen Realität entglitten wir immer weiter. Wenig später fuhren wir auf der Suche nach dem geheimen Ort, den Anweisungen der Bauern folgend, die wir anfangs noch getroffen hatten, hoch hinauf, auf einem unbefestigten Feldweg zwischen die Felsen. Ich hatte Durst. Doch auch diese Empfindung schien weiter entfernt als sonst. Das Trinkwasser war beinahe zu Ende gegangen, auf der langen Autofahrt über die engen Straßen aus Stein und Sand. Der Tee in den Thermoskannen war ausgetrunken. Wir hatten zu wenig Proviant zum Essen mitgenommen. Es sollte nur ein kleiner Umweg werden. Doch hier, in den weiten Tälern von Kham, gibt es keine kleinen Umwege. Das Land ist so viel weitläufiger, höher und mächtiger als in Europa, in den Alpen. Der Talgrund, wo wir anfangs einer schmalen Straße, die einem gewundenen Flusslauf entlangführte folgten, befindet sich bereits auf 3800 m Seehöhe. Immer wieder mündeten Flusstäler in das Haupt-Tal. Welches der Seitentäler sollten wir nehmen, das dritte, das fünfte? Überall führen Wege bergauf. Es gab keine Strassenschilder oder Wegweiser. Ab und zu begegneten wir Motorradfahrern, die aus einem der Seitentäler herunter kamen. Dort oben lebten also Menschen, irgendwo, wie weit, wie nah?

 

 

Mehr darüber, wie ein Reisetagebuch zur zusätzlichen Quelle der Inspiration werden kann, erfahren Sie in meinen Kursen ab April in Zürich und Schongau LU.

Rückblick und Ausblick

14.11.2018 Allgemein Keine Kommentare

Seit fast drei Jahren schreibe ich in unregelmäßigen Abständen einen Blogeintrag auf dieser Website.

Der erste Blogeintrag ist vom 02.01.2015. Seither beschäftige ich mich durchgehend mit dem Schreiben. Anfangs mehr mit dem Erscheinen des Romans «Der Pilgerweg heim», den Erfahrungen bei meinen Lesungen. Im Lauf der Monate bin ich dann häufig auf den kreativen Prozess des Schreibens eingegangen.

Im letzten Jahr war das Tagebuch – sowohl als Kunstform wie auch als Report eigener Befindlichkeiten – im Vordergrund. Einige Monate intensiver Auseinandersetzung waren speziell der Form des «Reisetagebuches» gewidmet. Reisetagebücher lesen, das Reisetagebuch meiner Tibet-Reise schreiben, einen entsprechenden Kurs «Das Reisetagebuch» konzipieren.

Für diesen Blogeintrag habe ich als Thema «Rückblick» und «Wo stehe ich jetzt?» gewählt. Für heute habe ich mir vorgenommen, die Abfolge der Blogs, angefangen beim ersten bis jetzt zu betrachten und mir zu überlegen, ob ich für die Zukunft etwas ändern will. Ich habe es mir in meinem Büro bequem gemacht und blättere in den Blogeinträgen zurück. Es gibt Tee, Ruhe, einen bequemen Sitzplatz vor schöner Aussicht aus dem Fenster. Als ich fertig gelesen habe sortiere ich einen Bücherstapel auseinander, der seit einer Woche auf dem Fußboden steht. Eigentlich mache ich das, um zur Ruhe zu kommen. Nun stelle ich mir die wichtige Frage: Will ich weiterhin bloggen? Die Antwort kommt innerlich, sofort, spontan: „Ja“. Wie häufig möchte ich in Zukunft den Blog veröffentlichen? Häufiger als bisher.“ Möchte ich einen neuen Schwerpunkt setzen, habe ich ein neues Anliegen, das mich inspiriert? Nun kommt erst einmal keine spontane Antwort. Nicht weil es an Ideen fehlt. Es ist mehr, dass ich zu viele habe. Ich schreibe einige auf, gehe dann hinaus ins Freie und schaue mich um. «Quittenkorb».

 

 

Nein, keinen Gärtnerblog. Obwohl ich Pflanzen für meinen Lebensraum unbedingt brauche, auch Obstbäume. Ich gehe auf der Wiese vor dem Büro auf und ab. Stehe manchmal einfach da, eine Tasse Tee in der Hand und schaue, denke vor mich hin, betrachte das Laub auf der Wiese.

Was ich hier weiter oben beschreibe ist ein wichtiger Teil des kreativen Prozesses. Bei einer Neuorientierung meine ich, ist er unerlässlich. Diesen Prozess der Kreativität versuche ich in meinen Schreibkursen anzuregen und zu vermitteln, dass er täglich genährt werden muss. Und zwar mit Selbstfürsorge und Geduld. Am Ende des Arbeitstages habe ich übrigens auch eine Entscheidung getroffen die mich befriedigt. Ich werde in meinen Blogbeiträgen in den nächsten Monaten einen neuen Schwerpunkt setzen: «Meditation & Kreativität» – nicht nur beim Schreiben.

Authentisch schreiben

09.10.2018 Allgemein Keine Kommentare

Authentisch und aus mir selbst heraus die Welt beschreiben – so will ich mein Tagebuch führen. Das klingt einfach und wer es versucht hat weiss wie komplex dieses Vorhaben ist. Wir brauchen zuerst den richtigen Platz. Es kann ein winziges Tischchen sein (wie hier auf dem Foto im Hotelzimmer im tibetischen Derge, Kham auf meiner Tibetreise vergangenen Sommer), wo ich jede Stunde des Alleinseins nutzte, um mein Reisetagebuch zu führen. Die tägliche Menge an Sinneseindrücken, emotionalen und spirituellen Erfahrung, war manchmal fast zu gross und so war ich froh, konnte ich mich zum Schreiben zurückziehen. Eine zweite wichtige Voraussetzung um authentisch zu schreiben ist es mit sich selbst, mit den tieferen Schichten der eigenen Person in Kontakt zu sein. Sonst kann es geschehen, dass frau einen banalen Schulaufsatz statt eine Reportage der eigenen Befindlichkeit und Wahrnehmungen ins Tagebuch schreibt. Unzufrieden damit geben Viele wieder auf und sagen: „Tagebuch schreiben ist schon gut, aber ich schaffe es nicht.“

Eine einfache Übung, um an einem solchen Punkt weiterzumachen ist folgende: Sitzen, sich entspannen, vor allem die Hände, Arme und Schultern. Ungekünstelt ein- und ausatmen. Dem eigenen Atem zuhören. Danach: sich sanft umschauen. Ein weiterer Schritt, wenn das nicht genügt, um wieder in guten Selbstkontakt zu kommen ist dieser: Sich umsehen und die Dinge, die man wahrnimmt, benennen, mit ihrer Farbe und Form. Also zum Beispiel: ‚Stehlampe, grau, Lampenschirm elfenbeinfarben‘. Fortfahren für etwa zwei Minuten. Das ist nur eine geistige Lockerungsübung, wir lassen sie bald wieder hinter uns. Danach kann man wieder zum eigenen Atem, dem Sitzen, der Befindlichkeit an dem Ort, wo frau gerade ist zurückkehren. Gelingt das diesmal, dann einfach den Faden wieder aufnehmen und – Tagebuch schreiben.

 

 

Authentisch zu schreiben bedeutet nicht, dass alles gut ist und schön klingt. Es geht darum, das zu Schreiben, was gerade bewegt, oder im Vordergrund steht. Gerade die Untiefen und Risse in unserer Welt sind es, die uns oft sehr beschäftigen. Speziell wenn wir auch die Rückseite der Dinge wahrnehmen wollen.

Bilder einer Reise

13.09.2018 Allgemein Keine Kommentare

Auf unserer Reise in einem Pkw mit Fahrer und Übersetzer durch Osttibet sind mir immer wieder alte idyllische Vorstellungen über die Bewohner von Kham durch den Kopf gegangen. Bald war ich in der Gegenwart angekommen, die alten Vorstellungen/Bilder waren vergessen. Ich bin Widersprüchen, Stolz und Strassenbau, verschmutzen Flüssen, grossen Khampa-Hochzeitsfesten im Hotel, Sehnsuch und motorradfahrende Mönchen begegnet, reitenden Hirtennomaden und goldenen Tempeldächern. Die extreme Weite der Bergwelt auf dem Dach der Welt hat mich für immer verändert.

Täglich fand ich ich mich ohne Referenzpunkt wieder – öffnete meine Wahrnehmung und war im Neuland. Die Suche nach der Idylle gab ich auf. Zuerst waren es die Fotos, die eine Metapher für das Viele, das ich erfuhr, aber nicht aussprechen konnte und wollte, ausdrückten. Das Femde, das Schweigen, eine Mauer.

Ich fand «Die Türe» als Öffnung in der Wand, später noch den Spalt, den Riss als Ausdruck dessen, das mich bewegte und beunruhigte. Natürlich habe ich versucht, viel von dem zu fotografieren, was mir begegnete. Doch vor allem waren es Mauern und Öffnungen in Mauern, denen zunehmend meine künstlerische Aufmerksamkeit galt. Wie diese Lehmwand mit Tür in Adzom Gar in der Präfektur Gandze.

 

 

 

IM AUGUST 2018 UNTERNAHM ICH MIT MEINER FAMILIE EINE PILGERREISE DURCH KHAM/OSTTIBET. GEPLANT WAR, DASS ICH VON UNTERWEGS MEINEN BLOG WEITERFÜHREN WÜRDE. DIE REALITÄT WAR GANZ ANDERS ALS ERWARTET, UND DOCH WUNDERBAR. ICH VERÖFFENTLICHE ALSO HIER IN KÜRZEREM ABSTAND EINIGE DER BLOGEINTRÄGE (AUS TIBET) IM NACHHINEIN.

Auf Reisen sein – August 2018

08.09.2018 Allgemein Keine Kommentare

 

 

 

Mein Leben ist ein Pilgerweg geworden. Jeder Tag ist eine Station und bringt mich oft wieder an einen neuen Ort. Jeder Platz, den ich verlasse, bleibt unwiderruflich zurück. Der Ort und der Lebenstag: habe ich ihn vergeudet, zu wenig geschätzt, oder habe ich alles vollkommen erlebt und geschehen lassen? Schließlich ist der Tag vergangen. Gemeinsam mit dem Ort und dem Tag haben wir uns zur Geschichte unserer Reise gewandelt. Ich reise weiter.

Am 18. August kommen wir auf unserer Fahrt nach Derge in Ost-Tibet, wo wir einige Tage verbringen werden. Die kleine Stadt ist der nordwestlichste Punkt unserer Reise und eines unserer  wichtigsten Ziele.

Versteckt zwischen alten Wohnhäusern, in engen Gasssen, liegt ein kleiner Thangton Gyalpo Tempel. Der Eingang ist tagsüber offen. Die kleine Gonpa sei, so heisst es, während der Kulturrevolution vor Zerstörung bewahrt worden: die Anrainer füllten den Raum mit Getreide auf und erklärten den Bau zum Kornspeicher.

 

Im August 2018 unternahm ich mit meiner Familie eine Pilgerreise durch Kham/Osttibet. Geplant war, dass ich von unterwegs meinen Blog weiterführen würde. Die Realität war ganz anders als erwartet, und doch wunderbar. Ich veröffentliche also hier in kürzerem Abstand einige der Blogeinträge (aus Tibet) im Nachhinein.

Annäherung an einen Baum

09.07.2018 Allgemein Keine Kommentare

 

Die Linde 

Bei der Heimkehr von einem Spaziergang. An einem frühen Sonntagmorgen im Juli. Hinter mir ging gerade die Sonne auf, wie aus dem Wald hervortauchend. Als ich unter der blühenden Linde zu unserem Hof ging hörte ich im Vorbeigehen über mir ein webendes Summen. Es war ungewöhnlich, stark und schien überall zu sein. Ich blieb stehen, blinzelte in die Sonne und lauschte. Es waren unzählige Bienen – ein Bienenlied – überall. Ich schaute hinauf und blickte in eine Welt, die ich nicht betrete, obwohl sie so nahe ist:  Die Baumkrone unserer alten Linde. Sie hat einen dicken Stamm und auch die Äste sind bis hoch hinauf – vielleicht zwanzig Meter über mir? – noch so stark wie Baumstämme.

Die Bienen, der Duft der Blüten, der schon die ganze Nacht hindurch ins Haus gedrungen war, der Boden auf dem ich stand – alles war diese eine Linde in einem Moment. Nicht einfach ein botanisches Ereignis, sondern mehr, ein durchscheinendes und mich durchdringendes System „Natur“.

Die Bewegung der Bienen klang wie ein Chor; nicht menschlich. Der Duft der tausenden von Lindenblüten war in mich eingedrungen; nicht nur durch die Atemwege.

Lange blieb ich unter den weit ausladenden Ästen stehen. Ich versuchte diesen Klang der –  meist unsichtbaren – Bienen mit meinem Handy aufzunehmen.

Doch blieb mir später nur die Erinnerung an das Linden-Dasein, außergewöhnliches starkes tierisches pflanzliches liebliches wildes.

An diesem Tag begann ich diese Linde, diesen einen uralten Baum, in meinem Tagebuch zu beschreiben. Titel: Annäherung an einen Baum.