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Weiterschreiben

08.08.2022 Allgemein Keine Kommentare

 

Kürzlich schrieb ich für mich Zusammenfassungen der drei Teile der Trilogie: «Der Pilgerweg heim», «Bonsai» und vom unvollendeten Teil 3 «Freundschaft Genossin». Meine Gedanken zu diesem dritten Teil der Trilogie veröffentliche ich hier.

 

Neue Perspektiven: Die Fotos in diesem Beitrag sind Fotografien einer rosa Rosa, die ich nachts fotografierte. Ich machte die Aufnahmen, ohne auf die Verschlusszeit der Kamera zu achten. Die erscheinenden Bilder haben mir eine neue Sicht auf das Phänomen Bild geschenkt, auf das, was hinter der offenbaren Realität an Sichtungen für mich zu finden ist. Diese «Verschiebung von Wahrnehmung» hat mich inspiriert und neu mit meinen Kraftquellen in Verbindung gebracht.

Ich hatte anfangs nur eine vage Vorstellung des Themas dieses dritten Teils der Trilogie, Titel «Freundschaft Genossin», als ich im Winter 2020/2021 die Arbeit begonnen habe. Es sollte eine Sammlung von Erzählungen werden. «Das Kollektiv», «Wir Menschen gemeinsam», «Freundschaft und Solidarität» als Lebensthemen und Utopien, um die Gesellschaft vor ihrer vor hunderten  von Jahren begonnenen und nun rasend gewordenen Selbst-Zerstörung zu bewahren. Idee: Junge und Alte bündeln ihre Kräfte gemeinsam in einer kraftvollen Bewegung, für nachhaltigen Wandel in der Gesellschaft.

Zu Beginn der Arbeit nahm ich Orte der Handlung und einige Figuren aus den Teilen 1 «Der Pilgerweg heim» und 2 «Bonsai» wieder hervor: Den Grünen See, das Seehotel, Adelheid und Franco, und John, das Boot, die Felswände. Am Grünen See wollte ich ein Gruppenereignis in Romanform inszenieren, eventuell ein Theaterstück im Roman? Junge KlimastreikerInnen, BiologInnen und die Alten vom Grünen See erzählen einander Geschichten von einer schöneren Welt, die ihre Herzen bereits kennen. Sie treffen sich dazu in einem alten Garten, den die Jungen neu anlegen, während draußen in der Welt, am anderen Seeufer, Pandemie und zum Teil Ausgangsbeschränkung herrscht.

Doch bald verstörte mich, die ich täglich die Zeitung, aber auch andere Medien als Quelle der Information benutzte, die Spaltung meiner Umgebung und scheinbar auch ganzer Länder in sich verhärtende Gruppen: Vax und No-Vax, Geheimbündler, Verschwörungsgeschichtenerzähler, Angstbessessene, gewaltbereite Fascho-Mysthiker, Surfer auf der Welle der Unsicherheit, um nur einen Teil des Spektrums zu nennen. Die westliche Welt zerfiel innerhalb kurzer Zeit in offizielle Gruppen von «Überlegenen versus Idioten» in allen Lagern. Der Tonfall wurde immer gewaltbereiter. Information, bisher ein Schlüssel zur Kenntnis von Tatsachen, mutierte zu einfacher Lüge, bewusste oder weniger bewusste. Immer öfter wurden nur einzelne Tortenstücke aus der sogenannter Realität ans Licht geholt und zu Tode kritisiert. Angeheizt von Falschmeldungen aus Trollfarmen und Bots, viel Ängstlichkeit, bewusst gesteuertem Informationschaos und allgemeiner Verwirrung wurde die Welt, vor allem die der Internetmedien, zu einer Art Vorhölle der Emotionen. Ein Krieg lag in der Luft. Anstatt gemeinschaftlicher Anstrengung zur Überwindung der multiplen Krisen, anstatt das unglaubliche, das unübersichtliche und möglicherweise nicht mehr zu rettende Weltgetriebe zu betrachten, zerfiel die Welt vor mir in eine Art geistige und emotionale Sektenkultur!

Die von mir begonnenen – und beinahe schon zu Ende erzählten – Geschichten vom Grünen See wirkten dagegen naiv, unrealistisch und hoffnungslos altmodisch. Liebe, was ist das?

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, und vor allem das Narrativ, mit welchem der Überfall gerechtfertigt wurde, brachte das Schreiben am dritten Band der Trilogie endgültig zum Stillstand. Meine Sprache hatte jeden Wert, jede Fähigkeit zur Wahrhaftigkeit verloren, zumindest vorübergehend. Deshalb legte ich «Freundschaft Genossin» zur Seite, zuerst nur abwartend. Nach einigen Monaten war klar, dass ich entweder etwas ganz anderes schreiben wollte – als Antwort auf das aktuelle Weltgeschehen, das mich sehr beschäftigte, oder gar nichts mehr. «Freundschaft Genossin» im Licht der neuen akuten Ereignisse gespiegelt erschien mir blauäugig und naiv.

Statt zu schreiben las ich sehr viele, teils philosophische  Bücher, und  begann immer mehr Zeit in meinem verwilderten Gemüsegarten zu verbringen – auf der Erde sitzend, oder stehend, Wachsen und Aufblühen und Verwelken betrachtend, manchmal auch fotografierend oder filmend. Ich ging über unser Grundstück, saß irgendwo im Heu, hörte den Grillen zu.

„Ich werde jetzt Blumenschreiberin“ schrieb ich eines Tages in mein Arbeitstagebuch, und: „Vielleicht werden ja zwischen den von mir geschriebenen Blumen, Gräsern und Bäumen einige meiner Figuren wieder auftauchen können – vielleicht aber auch nicht.“

Im Juni 2022 begann ich spontan mit einem neuen Versuch: Das Schreiben selbst, das Arbeitstagebuch, wurde zum Thema, und die Pflanzen, mit denen ich meinen Alltag teile. Die ersten Seiten schon brachten die Hoffnung, dass ich intuitiv navigierte, und dass im Schreiben vielleicht auch «die Liebe, die gütige Freundschaft zu allen Lebewesen» wieder auftauchen könnte.

«Freundschaft Genossin» als eine Synthese von politischem Statement, Poesie, Pflanzenwelten und Mutter Erde?

 

 

 

 

Die Autorin und ihre Exel-Datei

04.02.2022 Allgemein Keine Kommentare

 

 

Cornell (14), der jüngste im Camp und Piet (18), sein älterer Bruder – diese Beiden gibt es schon längere Zeit in der Dramaturgie von «Freundschaft Genossin», dem Roman, an dem ich gerade schreibe. Ihre «Figuren» habe ich bereits handschriftlich notiert und immer wieder ergänzt. Beispielsweise: „Cornell ist ein überbegabter Schulversager, kann noch nicht wirklich lesen. Er ist fast durchscheinend, hellhäutig, blond, schlaksig, hat riesige helle Augen, ist der jüngste im Camp. Er verlässt seine Welt des „Gamens“ für einige Salatpflanzen im Gemüsegarten. Dort findet er nachts den Vollmond und wird zum Poeten.“ Für ihn habe ich die Geschichte „Erzählung unter dem Regenmond“ geschrieben – meine Homage an den japanischen Regisseur Kenji Migoguchi.

Weitere Figuren sind ebenfalls schon Teil der Geschichte: «Tai», zum Beispiel, wurde von einer gesichtslosen jungen Frau (18) innerhalb eines Kapitels zu einer lebendigen Figur, die in der Folge die Geschichte mitbestimmte. Sie erzählt Adelheid einmal in einem Kapitel von ihrer Mühe beim abendlichen Zusammenkommen der «Klima-CamperInnen» im Seehotel und entpuppt sich dabei als weitgereistes junges Mädchen mit wilder Natur und dem tiefen Leiden eines vaterlosen Teenagers.

Der Text «Freundschaft Genossin» soll im Februar schnell weiterwachsen. Ich habe lange genug experimentiert, nun ist es Zeit, zu handeln – in diesem Fall: zu schreiben. Einige Geschichten sind zwar schon als Ideen oder Notizen vorhanden, aber noch nicht fertig geschrieben oder zu wenig ausgearbeitet.

In den letzten Tagen wollte ich mich aus diesem Grund endlich wieder «der Exel-Datei» zuwenden und die bereits aufgetauchten Figuren der «Klima-CamperInnen am See» festschreiben. Von denjenigen, die bereits Namen hatten, kannte ich bereits teilweise die Statur, Haarfarbe, Augenfarbe, falls nicht, überlegte ich, versuchte mir die Figur vorzustellen. In eine weitere Rubrik der Datei  schreibe ich kurze Angaben zu bereits bekannten Charakter-Eigenschaften, eine weitere mit der Geschichte der Figur und Eigenheiten.

In der Datei ging ich auch die Figuren durch, die ich aus dem ersten Teil der Trilogie «Der Pilgerweg heim», erschienen 2015, kopiert und übernommen hatte. Ich las aufmerksam, was die speziellen Merkmale von – beispielsweise – Franco sind. Ich hatte seine „Adlerschnabel-Nase“ vergessen, aber nicht seine Art, sich oft wie ein Komiker zu bewegen, und auch nicht seine Herzensgüte. Er wird in diesem dritten Teil der Trilogie einige Jahre älter sein – ich rechnete nach – ist er zur Zeit 75? Als ich diesen Teil der Arbeit beendet hatte, kam der nächste Schritt, der etwas Mut benötigte. Meine Aufgabe war es, noch einige Figuren zu erfinden, damit eine heftigere Dynamik entstehen kann, oder Wellen, auf denen ich die Geschichten fertig schreiben kann.

Zu Beginn des Projekts «Freundschaft Genossin», 2020, hatte ich mir die jeweils zehn am meisten verwendeten Vornamen, sowohl männliche wie weibliche, aus einem Namensregister der Geburten aus den Jahren von 1999 – 2003 herausgesucht.

Aus dieser Liste wollte ich vorgestern Vormittag noch einige Namen für die Figuren auswählen, die noch schemenhaft und zum Teil namenlos waren. Die also noch ein Schattendasein fristeten, noch nicht wirklich ihren Auftritt gehabt hatten, in «Freundschaft Genossin!»

Zu Lili und Joshua, die, ebenso wie die oben erwähnten drei schon eigene Geschichte (im Buch) geschrieben hatten, suchte ich nun die dramaturgisch passenden:

Leila, Tai’s kleine Schwester kommt mit deren Mutter Brigitte und der Grossmutter «JoNonna» nur gelegentlich aus der Stadt an den See. Martin und Rosmarie sind Figuren aus dem «Pilgerweg heim». Sie suche ich in der kopierten alten Exel-Datei, verändere die Altersangaben. Sie haben drei Kinder, nur von einem weiss ich noch den Namen: Heidi. Die anderen beiden finde ich in der Datei – Altersangaben ändere ich. Sie sind die Familie Biobauern auf dem Hof, der in der Nachbarschaft des «Seehotels» ist. Dort, bei ihnen wohnen und arbeiten in einem Bergbauern-Projekt Freiwillige den Sommer über: einer heisst nun Finn – er ist ein ausgestiegener Landschaftsgärtner, ein körperlich starker junger Mann in den Zwanzigern. Die zweite Freiwillige auf dem Hof ist Lili, eine unzufriedene Biologiestudentin, die zu Albträumen neigt und gerne in die Felsen klettern geht. Sie hat bereits ein ganzes Kapitel für sich bekommen. Lili hat «Die letzte Geschichte» erzählt. Die ist mir gut gelungen.

Am Ende des Vormittags hatte ich ein Trüppchen neu Erfundener vor mir und war erleichtert.

Die neu benannten und erst kürzlich mit dem Fleisch der Eigenschaften versehenen Figuren heissen: Klara, Greta, Ida und Daniel. Damit die Geschichte von den Kids im Klima-Camp am Grünen See nicht zu sehr ins mittelständische Idyll abgleitet (soweit in diesen Pandemie-Zeiten noch irgendwo ein Idyll verortet werden kann), ist Greta, 20, arbeitende Botanik-Studentin, Tochter von italienischen Einwanderern und Daniel ist 17, Kantonsschüler, ein strebsamer, stiller Sohn bosnischer Einwanderer, beide «mit dem Auftrag beladen, es später besser zu haben».

Ich freue mich schon auf die Arbeit mit all den neuen Charakteren – die nächste Woche werde ich Überstunden machen, so viel auf einmal fällt mir ein. Die neue Dynamik der Geschichte ist – was die vielen Ideen betrifft – bereits im vollen Gang. Es ist wie Tauchgang in klarem Wasser.

 

Selbstzweifel und Ablenkung

23.10.2021 Allgemein Keine Kommentare

 

Ablenkung

Lange Zeit ist vergangen, seit dem letzten Blog-Beitrag.

Ich hatte mich, und das nicht zum ersten Mal, vom Schreiben als Alltagsarbeit abgelenkt. Das Sich-Einfinden bei den Erzählungen, an denen ich arbeite, ist ein feiner Prozess. Seit vielen Jahren beobachte ich immer wieder wie aus einer fast zufälligen oder auch geplanten Ablenkung von der Schreibarbeit – zum Beispiel einer Projektarbeit, einem Auftrag, um etwas Geld zu verdienen, einem freiwilligen Arbeitseinsatz zum Wohl anderer, etcetera – zur «Schreibfalle» wird. Ich verliere die Kontinuität des Schreibens und damit auch, ganz langsam, die Selbstsicherheit, die sich mit diesem alltäglichen Schreiben einstellt. Zwischen drei bis fünf Stunden schreibe ich täglich, wenn ich im Fluss der Geschichte und motiviert bin.

 

 

Selbstzweifel

Selbstzweifel stellen sich manchmal ein, wenn ich mehr als einen Monat meine Arbeit unterbrochen habe. Ich habe dann im wahrsten Wortsinn den Faden verloren, aus dem das feine Gewebe einer Geschichte entsteht.

Diesmal waren es eine wunderbare Bergreise, Ferien, gefolgt von einem Freiwilligeneinsatz im buddhistischen Ambiente, die mich mehr als drei Monate vom Schreiben ablenkten.

Zwar habe ich viele starke Eindrücke und Kraft von den Reisen und Aktivitäten mitgebracht, Notizen, Fotos, Zeichnungen, doch als ich mich wieder in mein Büro setzte, musste es – schon wieder! – zuerst einmal geputzt werden, tote Fliegen lagen vor der Fensterfront, Staubbällchen flogen zart am Fussboden die Wand entlang. Dabei hatte ich doch erst vor einem Monat, bei einem Zwischenstopp zu Hause das Büro geputzt. Würde ich von nun an das Büro nur noch putzen? «Will ich wirklich diese seltsame Idee, ein Buch über Erzählungen zu schreiben weiterverfolgen?»

Waren nicht andere Ansätze für diesen dritten Teil der Trilogie des «Pilgerwegs», mit dem Arbeitstitel «Freundschaft Genossin» besser gewesen? Sollte ich neu beginnen? Oder vielleicht lieber einen Quantensprung machen und aus dem dritten Teil einen Gedichtband machen? Ich hatte in den letzten Monaten unterwegs sehr viel gelesen und war, nach langer Zeit, wieder auf die Dichte der Gedichte gestossen. Und zwar in einem Buch über die Dinge und ihr Gegenteil, den beständig vorhandenen Informationsfluss verarbeitet von künstlicher Intelligenz: «UN-Dinge» vom (deutschsprachig schreibenden) Philosophen Byung-Chul Han. In diesem findet sich auch ein Plädoyer für das Gedicht, als einem «Ding» der Literatur.


Die Kur

Es war eine mühsame Woche – ich stellte meinen Arbeitsplatz, dann mein ganzes Büro um. Am Ende brachte ich Ordnung in den grossen Schrank – alles Arbeiten, die mich immer weiter ablenkten. Ich konnte mich  nicht im Arbeitsalltag des Schreibens einfinden. Als ich auf dem neuen, improvisierten Büro-Sofa sass und mich umschaute, spürte ich der Selbst-Diagnose nach: «Zu viele Selbst-Zweifel, Minderwertigkeitsgefühl». Ein gutes Hilfsmittel, wenn diese störenden, aussaugenden Ideen des «Ich kann es nicht», «Ich bin nicht gut genug», «Eine gute Karriere als Schriftstellerin habe ich grossräumig verpasst» und vieles mehr an selbstverkleinernden Gedanken auftauchen, ist Folgendes: Ich öffne eines meiner Bücher oder eines der Bücher, die ich im Laufe der Jahrzehnte übersetzt habe, und von denen Ansichtsexemplare in meinem Büro stehen.


 

Ich öffne das Buch an irgendeiner Stelle. Diesmal öffnete ich den «Pilgerweg heim» – las darin, wurde erfasst von dem Fluss der Geschichte, weiter- und fortgetragen auf sicheren Boden. «Was für eine wunderbare Geschichte!» dache ich und: «Ich hatte diesen Teil ganz vergessen!».

Entspannt und gestärkt Boden konnte ich danach am Schreibtisch sitzen, die Gelbfarbigkeit der Herbstblätter in der Oktobersonne geniessen, aufschauen, erste Sätze schreiben.

Sanft beginnen, mich nicht gleich überfordern, nicht gleich die «Worte auf dem Wind» schreiben wollen, oder sie «in einer Geschichtslosigkeit verharren lassen», wie ich es mir im August wünschte.

Ich holte heute die letzten beiden Erzählungen von «Freundschaft Genossin» aus dem digitalen Ordner hervor, ein erstes virtuelles Blatt öffnet sich auf dem Bildschirm: Lesen, korrigieren – dann weiterschreiben.

In diesem Blog veröffentliche ich seit Jahren Nachrichten von meiner Schreib-Arbeit. Im Moment arbeite ich an einem dritten Teil der Romantrilogie „Der Pilgerweg heim“, mit dem Arbeitstitel „Freundschaft Genossin“.

Buch-Blog «Freundschaft Genossin»

25.02.2021 Allgemein Keine Kommentare

 

BLOG ZUM BUCH: «Freundschaft Genossin» ist ein neuer Roman an dem ich schreibe. In diesem BLOG will ich mehrmals pro Monat über meine Arbeit am Text berichten.

Umherschweifen – das ist ein wirklich altmodisches Wort. Doch trifft es genau das, was ich während der Arbeit an einem großen Projekt immer wieder benötige. Manchmal gehe ich dann in einer Arbeitspause auf unserem Grundstück umher, ohne Ziel, ohne Aufgabe. So nehme ich den Druck von meinem Geist, nachdem ich während mehrerer Stunden sehr zielgerichtet gearbeitet habe.
Dieses ziellose Wandern, das ich auch gerne und lange in einer bekannten Landschaft mache, verhilft mir immer wieder zu überraschenden Ausblicken. Beispiel: Wir wohnen seit 20 Jahren in einem spätbarocken Bauernhaus im Kanton Luzern/Schweiz. Auf einer Seite geht unser Grundstück weit bergab. Früher war diese Wiese eine intensiv benutzte eine Kuhweide. Viele Hochstamm-Obstbäume sind noch geblieben, manche waren schon so alt, dass sie in den letzten Jahren gestorben sind. Die Mostbirnen-Bäume sind ebenfalls älter als 80 Jahre. Vor kurzem bin ich – als noch Schnee lag – den kleinen Bach entlang gestapft, der auf einer Seite das Grundstück abgrenzt, Blick nach unten gerichtet. Dann stand ich plötzlich vor einem dicken Baumstamm, schaute auf. Ich erkannte ihn kaum. Hatte ich ihn bisher so wenig beachtet? Dieser alte Birnbaum steht am nördlichsten Punkt unseres Grundstücks. Er ist vom Haus aus nicht sichtbar, eine Scheune verdeckt ihn. Aber trotzdem: „Wie kann es sein, dass mir dieser Baum so wenig bekannt ist?!“ Ich habe ihn an diesem Wintertag lange angesehen, von allen Seiten, die Höhlen in seinem Stamm , die Zeichen alter Bruchstellen. Auch fotografiert habe ich ihn.
Seither gehe ich regelmäßig zu dem Baum, um ihn besser kennenzulernen. Es ist Teil meiner Arbeit geworden, den Baum zu besuchen, zu beachten, die Vielschichtigkeit seines Holzwesens zu erforschen, wie und ob er sich verändert, jetzt, wo langsam der Frühling kommt. Als es nach langem Schneefall taute, sprudelten rund um den alten Baum kleine Quellen aus der Wiese. Einige Tage später waren sie wieder verschwunden.

Ob dieser mehr als einhundertjährige Birnbaum jemals in dem neuen Roman «Freundschaft Genossin» auftauchen wird, ist ungewiss. Ein Teil der Vorbereitung zu einem Schreib-Projekt besteht für mich darin, „den Boden vorzubereiten“. Ich könnte es auch so beschreiben: Ich webe einen – später vielfach unsichtbaren – Teppich aus Bildern und Geschichtsfetzen. Dieser liegt später unter der neuen, der für alle sichtbaren und lesbaren Erzählung.

Auch mein kürzlich erschienener Roman BONSAI hat Teile, die ausdrücklich nur als Vorbereitung geschrieben wurden. Zum Bespiel liegen in einem für die Geschichte erfundenen Arven-Kästchen Aufzeichnungen aus der Kindheit des Antonin Maienfeld versteckt. Ich habe sie erfunden, niedergeschrieben und nicht für den Roman verwendet. Sie blieben ein Geheimnis, bis zu seinem Roman-Tod – versteckt in einem imaginären Kästchen.

Zurück zur Arbeit an «Freundschaft Genossin»: eine weitere Vorbereitung zum Schreiben ist, wie schon im letzten BLOG erwähnt, ein buddhistischer Grundlagentext, der im 8. Jahrhundert in Indien geschrieben wurde. Das «Freundschaft» im Arbeitstitel des Romans bezieht sich zwar einerseits auf konkrete Erfahrungen mit der sozialistischen Partei im Wien meiner Kindheit, ist aber auch ein Begriff, den ich genau untersuchen will. Taugt er noch für kommende Real-Utopien?
Das Ideal des Bodhisattva im Mahayana-Buddhismus betrachte ich in der Essenz als einen sehr frühen Versuch, sich vollständig und ohne Hintertüren mit der gesamten Welt, so wie sie uns im Moment erscheint, zu befreunden. Der Titel hat also durchaus auch eine buddhistische Färbung.

Anmerkung: Ich habe vor zwanzig Jahren eine Auftragsarbeit als Übersetzerin angenommen, die mich sehr viel Zeit gekostet hat. Es ging darum einen sehr komplexen, mehr als fünfhundertseitigen Kommentar, zum neunten Kapitel des Textes „Bodhicharyavatara“ von Shantideva zu übersetzen. Damals habe ich mich mit den verschiedensten Übersetzungen des dem Kommentar zugrunde liegenden Originaltextes in Versen in westliche Sprachen beschäftigt. Das hat mir wiederum auch bei meinem persönlichen Studium und der Praxis des Dzogchen geholfen.

Im letzten Jahr habe ich eine mich inspirierende Übersetzung der Originalverse ins Englische, von der Padmakara Übersetzergruppe gefunden, dazu den zeitgenössischen Kommentar einer buddhistischen Lehrerin.
Aus diesem Buch nehme ich nun als – unsichtbare – Ergänzung meiner Recherchen und Schreibarbeit jeweils eine Strophe, die mich besonders berührt Ich schreibe sie heraus, übersetze sie für mich ins Deutsche und bleibe ein bis zwei Tage mit diesem Vers.
Für den Anfang hatte ich mir einen Vers vom Ende des Buches ausgesucht, aus der Widmung. Diesen will ich hier teilen, eigentlich ohne weiteren Kommentar, aber mit dem Hinweis, dass dieser Text, wie oben erwähnt, 1200 Jahre alt ist:

10.26

May children and the old, the weak, protectorless,
Bewildered in the wild and pathless wastes,
And those whose minds are dulled, and all who are insane,
Have pure celestial beings as their guardians.

Mögen die Kinder und die Alten, die Schwachen, die Schutzlosen,
Diejenigen, die verwirrt in unwegsamer Wildnis sind,
Auch jene, deren Geist dumpf ist oder ihm Wahn,
Mögen sie alle reine himmlische Wesen als Schützer haben.

Ratlos: Den September über habe ich mich an einen besonderen Ort in der Toskana zurückgezogen

19.09.2020 Allgemein Keine Kommentare

 

In den letzten Monaten habe ich keinen Tagebuch-Kurs mehr gegeben. Doch ich habe einen Roman zu Ende geschrieben, der bald publiziert sein wird. Deshalb habe ich beschlossen, mich auch in diesem BLOG für neue Themen zu öffnen.

Seit langer Zeit gebe ich hier Ratschläge und Tipps zum autobiographischen und dem Tagebuch schreiben. Der Blog war nicht nur für die Teilnehmenden an meinen Kursen gedacht, sondern für alle am Tagebuchschreiben Interessierte.

Nun will ich das Thema wechseln.

Deshalb habe ich mich für einen Monat in unser winziges Häuschen mitten in der Wildnis der Süd-Toskana zurückgezogen. Ich sehe viel mehr Tiere hier als Menschen, Tiere aller Art.

Vom ländlichen Bauernhof in Schongau in die Wildnis eines Hochtales im Naturschutzgebiet des Monte Labro ist ein grosser Schritt. Natur ist nicht gleich Natur. Wildschweine, Wölfe, Stachelschweine, Hirsche und Skorpione – als Nachbarschaft – sind sie mir wenig vertraut. Das trockene, karstige Bergland, die Schafherden, Esel, die wenigen Blüten, viele Stacheln. Diese Wildnis hier nicht nur zu ertragen, sondern mich in sie hineinbegeben, das ging langsam. Nachts sitze ich nun draussen und schaue ins Universum. Im Ohr habe ich ein Gewebe aus Zikaden-Klang und dazwischen sind die Solisten: Grillenlieder.

«Bonsai», zweiter Band einer Trilogie über das Älterwerden, Utopie des Herzens und die Wiedergeburt des Glücks, ist fertig geschrieben und lektoriert und wird gerade gelayoutet. Das Buch und das Hörbuch sollen beide Anfang November erscheinen. Ich habe etwas vollendet, ich lasse los. Jetzt ist Zwischenzustand, Stille, Alleinsein.

Bevor ich weiter schreibe will ich innehalten, mich nach Innen wenden, mich aufs Spiel setzen, nachfragen im Universum meiner Träume.

Mir ist beim Schreiben während der Corona-Pandemie wieder eine dringliche Frage aufgetaucht, nicht zum ersten Mal: Wie kann ich, wie können wir einander, Anfang des 21. Jahrhunderts noch einfache Geschichten erzählen? Ich bin überzeugt davon, dass sie nötig sind, doch ich frage mich: wie?!

2020 hat mich an die Grenze des klar Erzählbaren gebracht, zu viele Schichten schienen aufeinander zu kleben:

Der Lock-Down im vergangenen Frühling war ein entscheidender Rückzug für viele von uns. «Es war wie Weihnachtsfeiertage ohne Ende», so beschrieb es eine Bekannte kürzlich, «alles und alle kamen zur Ruhe, es wurde ganz still in der Stadt – wochenlang». Der Grund, war tragisch: die Covid -19 Pandemie verursachte und verursacht noch immer weltweit Angst, Leiden und viel Unsicherheit. Gleichzeitig also erlebten wir im März Gegensätzliches: «Gefahr im Verzug = Adrenalinspiegel hochfahren und Kampf- oder Flucht- Mechanismus einschalten» und «Einkehr = Herzrhythmus und das vegetative Nervensystem runterfahren, Stille». Wir mussten uns über Monate hinweg einem – auch körperlichen – Paradox stellen, das fast ohne Ausweichmöglichkeit ist. Wer meditieren kann, war dafür gut vorbereitet.

Die innere und äussere Stille, die ich persönlich pandemiebedingt zwischen März und Juni erlebte, war etwas, das ich lang ersehnt hatte. Ich empfand eine Entspannung in der Unsicherheit, die ich mir so nie zu wünschen gewagt hätte. Ich sollte zu Hause bleiben, ich sollte zu allen Menschen Abstand halten, ich sollte ruhig sein und mich entspannen, ich durfte nicht reisen, durfte nicht ins Ausland. Auch Familienbande schienen in der Gesellschaft nicht mehr wichtig, auch nicht, wenn es ans Sterben ging.

Von Außen betrachtet verlief mein Leben ähnlich wie sonst auch. Am Morgen machten wir gemeinsam eine Stunde Meditations-Praxis. Mein Atelier/Büro liegt direkt neben dem Wohnhaus. Ich arbeitete dort weiter wie immer. Zu Mittag traf ich meinen Mann in der Küche zum Essen, abends dachten wir gemeinsam über die Welt nach oder durchsuchten das Internet nach Information zur Orientierung über Gesundheit, Politik, Wirtschaft und Philosophie. Nach sechs Wochen erlebte ich eine zunehmende Abwehr gegen die widersprüchlichen Informations-Fluten.

Unser Gemüsegarten wurde in diesem Frühling intensiver bepflanzt wie in den Jahren davor. Wir gingen öfter als sonst in den Wald wandern. Ich backte mehr Kuchen als sonst. Virtuelle Zoom-Räume kam als Treffpunkt auf, wir sassen mit vollen Weingläsern vor dem Computer am Küchentisch und prosteten Menschen zu, die weit entfernt oder in anderen Ländern waren, teilten Ängste, Informationen und Sorgen. Das kleine Kamera-Auge oberhalb des Bildschirms wurde zu einem Tor in die (Cyber-) Welt.

Auf die Zeit im Ausnahmezustand folgte die herannahende ungewisse Zukunft, schwebend wie ein Ballon manchmal, oder schwer wie ein Kampfbomber aus Beton, je nach Weltsichten, die sich, wieder über Internet, überall hereindrängten.

Offen und überwältigt – so möchte ich meinen Zustand der letzten Monate beschreiben.

Und dieses Lebensgefühl der Überwältigung zog sich auch in die Kunst-Arbeit hinein.

Wie, bitte wie, soll ich schreiben? Im Internet-Stil, whatsapp Nachrichten gleich? Soll ich nur noch Meinungen und Gegenmeinungen schreiben? Welche Geschichten kann ich noch erzählen, wenn Fake-News als gelungenes Stilmittel zum vervollkommnen einer Lügengeschichte daherkommen? Was tun, wenn Videos so perfekt gefälscht werden können, dass es nicht mehr auffällt. Wann bin ich «modern»?

Was ist anders, wenn ich eine Geschichte erfinde? Wie schreiben, wenn Sprache fast nur noch zur Manipulation verwendet wird? Wie kann ich mir in Zeiten der 20 Sekunden Aufmerksamkeits-Spanne eines Lesers für einen Text die Naivität leisten, eine Geschichte von Utopien zu erzählen, vom Glauben an die Realität der Welt? Und das über Stunden?

Ratlosigkeit kann eine grossartige Ressource sein.

Meine Dzogchen Praxis ist eine Kraftquelle, die mir dabei hilft, nicht immerzu ins Beurteilen der Weltlage und auch nicht meiner eigenen Ratlosigkeit zu verfallen. Gegensätzliche Welten, ich kann euch ertragen!

Heute sitze ich am Küchentisch in dem kleinen Haus in der Toskana, wohin ich mich zurückgezogen haben, um freiwillig ratlos zu sein und mich in Kontemplation zu üben.

Ich weiss, es ist ein Luxus, den ich auch meinem Alter zu verdanken habe. Doch, weil ich mir die Ratschläge noch nicht ganz abgewöhnt habe: Ich kann nur allen Menschen, denen es möglich ist, raten, sich ratlos, liebevoll mit sich selbst und anderen und mit offenem Herzen zurückzuziehen. Wo auch immer die laute Stille der Wildnis ist, geh dort hin, übe dich in Meditation, empfinde die Freiheit des Augenblicks.

Kleiner Gurken-Gesang

07.08.2020 Allgemein Keine Kommentare

Tagebuch schreiben kann auch eine Kunstform sein, Dokumentation des Einfachen. Ich dokumentiere einen Moment der Inspiration oder beschreibe einfach das, was ist. Ein veröffentlichtes Tagebuch könnte man als Vorläufer der YouTuber-Kultur betrachten. Ich schrieb eine Zeitlang ein «Pflanzen-Tagebuch», hier ist ein Auszug daraus:

In meinem Gemüsegarten gibt es viele Welten für sich, Tierwelten, Erdwelten, unterirdische Welten, Pflanzenwelten und Zwischenwelten. Ein Universum  ist jenes der Klettergurken. Kreativ und scheinbar ungebremst wuchern sie, wenn genug Wasser und Bodennahrung vorhanden ist. In einem Geschäft kaufe ich Gurken (lat. Cucumis sativus) aus dem ewigen Glashaus eher nicht. Meine kleinen Cornichon-Pflanzen jedoch finden jedes Jahr wieder Platz im Gemüsegarten. Sie ranken sich wie reine Poesie um von mir gestaltete Gerüste aus Bambusstöcken, in einem Jahr, oder aus Haselholz, in einem anderen Jahr.

 

Gurken sind Beeren, erfahre ich in Wikipedia, nicht ganz zu meiner Überraschung, und zwar «Panzerbeeren». Ihre Schalen sind ja oft hart, ganz anders als die Schalen der schwarzen Johannisbeeren, die heute am Gartenzaun überreif an den Ästen ihres Strauches hängen. 

Meine kleinen Gurken haben nicht nur eine hell-dunkel gestreifte Schale, oder sind dunkelgrün wie Tannennadeln, sie haben auch feste Stacheln. Stacheln, die biegsam sind und zäh, die in meiner Handfläche hängen bleiben wenn ich die Gurken zu heftig von ihrem Strauch wegreiße. Diese Stacheln wasche ich von der Schale einer Gurke weg, bevor ich sie über meine Lippen hinwegziehen lasse, die süssen, kleinen, saftigen schmackhaften Cornichon-Stückchen, direkt auf meine Zunge, hinein in meinen Mund, ungeschält.

Was ihren Namen betrifft, Gurke, so kommt er angeblich aus dem Slawischen – oder aus dem Mittelgriechischen. Das bedeutet, dass die Gurken wahrscheinlich bei uns in Mitteleuropa bis ins 16. Jahrhundert unbekannt waren. Kein deutschsprachiges Wort für eine fremde Frucht. Es gibt seltsame alte Namen für diese grüne Beere: «Umurke», das war in Wien noch gebräuchlich, als ich ein Kind war. «Gugummere» wurde sie in der Schweiz genannt, und im süddeutschen Raum „Guckummer».

Die Botaniker haben eine Gurkentheorie, nach der die Urahnen aller Gurken ursprünglich aus einer Wildform in Indien gezüchtet worden war, vor etwa 2000 Jahren. Abweichungen von dieser Theorie liefern Genetiker. Ihre Theorie lautet, dass die einzige Gurke mit ähnlicher Genetik wie unsere Gartengurke aus Afrika stammt. Weil Indien und Afrika die letzten 2000 + Jahre etwas weit auseinander liegen und Wissenschafter sich ungern Blößen geben, wird die Herkunft nicht besonders erwähnt. Man bleibt vage im Osten – Balkan oder Griechenland – dort liege der Ursprung der Gurke.

Meine Meditation vor dem Gurkengerüst ist einfacher: Die Gurke ist hier, sie wächst. Alles ist so vollkommen – die kleinen gelben Blüten, schon borstig auch sie, die haarigen Blätter und Ranken, die kratzigen Stengel und Stengelchen; die winzigen und die kleinen Gurken, die größeren und sogar ein wenig zu früh gelbrandig geworden Blätter im Gewirr der Pflanze.

ANREGUNG ZUM SCHREIBEN: Nimm ein Ding oder einen Teil aus deinem alltäglichen Leben und schreibe über einen längeren Zeitraum hinweg täglich darüber. Als Beispiel habe ich hier einen Auszug aus dem «Pflanzen-Tagebuch» veröffentlicht, das ich 2017/18 über die Pflanzen in meiner Umgebung – Sommer & Winter – geschrieben hatte.

Meditation // Schreiben // Corona-Pandemie

08.07.2020 Allgemein Keine Kommentare

 

Wenn ich erkläre, was meine Kurse von anderen Schreib-Kursen unterscheidet ist der Schlüsselbegriff dabei «Meditation».

«Meditation», so wie ich sie erlernt habe und seit 40 Jahren täglich praktiziere, greift auf das zurück, was bereits vorhanden ist. Um zu meditieren, müssen wir nichts hinzufügen oder neu erschaffen. Alle großen spirituellen Traditionen der Erde haben Methoden entwickelt, damit jeder Mensch mit dem eigenen wahren Wesenskern (wieder) in Kontakt sein kann.

Warum sollte ich mit meinem Wesenskern in Kontakt kommen wollen? Die Antwort, die ich für mich selbst gefunden habe, ist folgende: Die Quelle der Kreativität und der Lebenskraft jedes einzelnen Menschen liegt oft im Verborgenen. Manchmal geschieht spontane Annäherung an diese Kraftquelle, man spricht dann vom Zustand des «Flow», davon ein «Flow-Erlebnis» gehabt zu haben. Tiefe Gefühle des Eins-Seins werden sowohl von Extrem-Sportlern, Bergsteigern, Marathonläufern, als auch von Künstlern als Momente kurzen Eins-Seins beschrieben. Das ist eine tiefe Erfahrung, jedoch nicht Meditation.

Meditierende können in diesen Zustand nach einiger Übung anfangs bewusst ein- und wieder austreten. Später lernen sie, im stetigen und bewussten Kontakt mit dem eigenen, tiefen Wesen zu leben. Alle, die einmal persönlich erlebt haben, wie viel Energie frei wird, wenn die alten Denkmuster und Blockaden plötzlich überlistet sind, weiß, worauf ich hinaus will:

Ein spontaner Durchbruch ins Reich der eigenen kreativen Potenziale ist immer eine prägende Erinnerung. Doch oftmals bleibt es bei kurzer Berührung mit diesem Zustand. Dann übernehmen die alten Denkmuster wieder die Führung: „Ich bin eben nicht begabt.“ – oder: „Ich bin eben nicht begabt genug.“

Erleben wir den kraftvollen, schöpferischen Zustand, einen spontanen Durchbruch, nicht als einzigartiges Ausnahmegefühl, sondern als ein feines Netz kleiner, positiver Erfahrungen, oder wie einen Busch voll verborgener Beeren, die wir nur zu pflücken brauchen, dann ist die Wirkung auf das Leben nachhaltig. Danach kann diese Erfahrung des So-Seins besser in den Alltag integriert werden. Langsam können sich im Laufe der Zeit neue Glaubenssätze bilden, wie etwa: „Alle Früchte stehen mir zur Verfügung. Ich bin genauso begabt, wie alle anderen. Vielleicht sollte ich mich ein wenig mehr anstrengen, als ich gedacht habe.“

Kreativität kann durch regelmäßige Meditation, irgendeine Art der Meditation, wohlgemerkt, genährt und gestärkt werden. Wichtig dabei ist, dass diese Meditation eine erprobte Form hat. Direkt und auf freudvolle Art soll sie wahrhaft den eigenen inneren Wesenskern kontaktieren. Sind wir authentisch, fliesst die Quelle der Lebenskraft und so auch der Schaffenskraft, ungehindert. Dort finden wir den Ort der Selbstheilung. Jeder, der diesen geheimen Ort in sich selbst findet, findet ihn auch gleichzeitig für alle anderen, für die Welt. Das ist eine Form wunderbar nachhaltiger Evolution.

Ich beginne bei mir, ich beginne heute.

Wer will sich nicht gerne direkt, liebevoll und sorglos selbst ausdrücken? Und gleichzeitig das in die Welt bringen, was hier dringend gebraucht wird: liebevoller und schöpferischer Umgang mit der Lebensenergie aller.

In diesen Zeit der Corona-Pandemie, in der sich auf unserem Planeten sichtbar und unaufhaltsam so viel verändert, werden genau diese kreativen Eigenschaften des Lebens und der Kunst zu Überlebens-Werkzeugen.

Mit Meditation und kreativer Alltagsbewältigung öffnen wir Wege zu unserer eigenen Quelle der Kraft. Und – wenn wir Glück haben – stoßen wir dabei auch noch auf die unendlichen Energie-Reserven die uns als Menschheit kollektiv zur Verfügung stehen.

Ich freue mich auf gemeinsame Arbeits-Stunden bei den Kursen im 2. Halbjahr 2020. Gemeinsam machen wir uns wieder auf den Weg hin zu unseren kollektiven und persönlichen Kraft-Quellen.

Meine Kurse nehmen gerade eine neue, pandemiegerechte Form an:

*) Das bedeutet – weniger Teilnehmende;

*) Einige Übungen werden, wegen des neuen Sicherheitsabstands, gegen andere ausgetauscht;

*) Ich arbeite an einem Live-Webinar (ab September)

*) Ab September biete ich weiterhin Einzel-Sitzungen für das Buch-Coaching an, neu auch via Zoom 

*) Die Kurse zum Autobiographischen Schreiben als Kurzfassung in Einzel-Sitzungen, sowohl via Zoom als auch «Live».

Von der Kunst der Freude

20.06.2019 Allgemein Keine Kommentare

 

Beim autobiographischen Schreiben und beim Tagebuch-Schreiben kann es leicht geschehen, dass wir uns eher den schwierigen oder unerfreulichen Aspekten unseres Alltags oder unseres Lebens schreibend zuwenden. Das ist auch wichtig, denn dort, bei den für uns unerfreulichen Teilen, liegt auch unser Potential für persönliches Wachstum.

Damit der Prozess des inneren Wachstums nicht einseitig wird, damit es nicht geschieht, dass wir uns in schwierigen Zeiten in eine Opferrolle hinein stilisieren, sollten wir Ausgleich mit der Freude schaffen.

Dafür habe ich zwei Übungen für meine Schreib-Kurse entwickelt, die sich ganz der Freude zuwenden. Eine sehr kurze Übung machen wir während des Kurses. Die andere kann als Aufgabe zu Hause – mit Ruhe und Freude erledigt werden – es ist das Aufschreiben der persönlichen «Freuden-Biographie».

Freude und Inspiration gehören für mich zusammen. Freude kann ich willentlich aufsuchen, ich kann mich in eine Situation kleiner Freude begeben, kann tägliche, kleine Freuden-Oasen schaffen. Inspiration entsteht aus Freude – ist aber oft unpünktlich, kommt nur, wann es Zeit für sie ist. Die inspirierten Momente in unserem Alltag sind jedoch ebenfalls sehr wichtig. Wir können die Inspiration mit der Übung in täglicher Freude anlocken.

Es ist wichtig unsere Verletzungen und Hemmungen zu kennen ist. Doch ebenso wichtig ist es unsere Stärken zu kennen, die Oasen des Glücks im Alltag zu finden oder wiederzufinden. Mit der »Freuden-Biographie» entdecken wir, wo Freude und Inspiration in unserem bisherigen Leben angesiedelt waren.

 

 

 

 

 

Für mich kommen Freude und Inspiration in meinem Garten, in den Pflanzen, den Blüten und Früchten zusammen, im Wunder von Wachstum, vom Absterben und vom wieder Hervorkommen.

Schreiben und Skulptur

22.05.2019 Allgemein Keine Kommentare

Diesmal gibt es hier im Blog anstatt eines theoretischen einen praktischen Beitrag: Ich veröffentliche einen Tagebuch-Eintrag aus meinem Arbeitstagebuch.

 

Warum ich schreibe und Keramik mache                             Schongau, 22. Mai 2019

Geschichten zu erzählen, das ist mein Beruf. Ich mache das, seit ich neunzehn Jahre alt war. Manchmal benötigen die zu erzählenden Geschichten einen «Rahmen», der zu groß für mich ist. Beispielsweise beim Filmen – da waren die Produktionskosten und –Bedingungen zu komplex und finanzaufwendig für meine Möglichkeiten. Deshalb habe ich mit dem Filmemachen aufgehört. Es hat mich, als Arbeiterkind im Wien der 1950er Jahre aufgewachsen, überfordert.

Damit kam ich nach der Filmakademie mit etwa 23 wieder zurück beim Schreiben. Die kurzen „Rock-Lieder“ der frühen 1980er Jahre sollten vor Publikum vorgetragen werden, mit Musik. Ich bemerkte nach den ersten Performances, dass es mich nicht nach «einem Auftritt» verlangte – im Gegenteil.

Beim Schreiben von einem Artikeln und anderen kurzen Stücken, bis hin zum Roman, bleibt «mein Gesicht verdeckt» – ich kann in einer Anonymität arbeiten, die mir gut tut, in der ich mich ganz der Geschichte widmen kann.

Aber in der Kunst des Schreibens – jenseits vom Journalismus, wo ich Auftragsarbeiten machte –  bin ich selbst die Auftraggeberin. Ich selbst soll also dafür sorgen, dass die Geschichten zu ihren LeserInnen finden. Für ein Jahrzehnt hatte ich einen Literaturagenten, das hat mir das Schreiben einfacher gemacht. Kommt noch dazu, dass, je grösser die Form, also in dem Falle, je länger das Textformat – Extremform: Roman – umso länger sind die Perioden des Alleinseins beim Arbeiten. Das fertige Ergebnis wird erst nach Monaten oder Jahren das erste Feedback finden.

Es erscheint mir heute rückblickend notwendig und wirkt logisch, daß ich vor 19 Jahren «zur Erde zurückgekehrt bin». Ich begegnete den Keramik-Skulpturen des damals in der Schweiz lebenden Koreaners Seung Ho Yang in einer Galerie. Sie weckten meine neue Leidenschaft: bald begann ich Lehm, Tonerde, zu Werkstücken zu formen und im offenen Feuer zu brennen. Dabei absolvierte ich eine fast dreijährige Ausbildung. Ich war zu sehr professionelle Künstlerin, als dass ich mich meinem neuen Medium ohne entsprechender Wertschätzung, sprich Unterricht, zuwenden wollte.

Ab der Jahrtausendwende begann für mich eine Zeit, in der ich Werkstücke herstellen konnte, die schnell sichtbar wurden und für sich selbst standen. Skulpturen erzählen keine Geschichten, sie definieren einen Raum.

Irgendwann fehlte auch wieder das Schreiben. Geschichten, die ich sah, wollte ich erzählen. Es ist ein völlig anderes Arbeiten erzählend Geschichten und ihre Darsteller in die Welt zu setzen, als Skulpturen in einen Raum. Das Buddhi-Projekt begann auf diese Weise. Ich wollte nicht mehr zwei getrennte Kunstschaffens-Welten haben und sie separat betreten müssen.

Seit dem Frühlingsanfang gibt es in meinem Studio im ehemaligen Bienenhaus einen Neuanfang – ich habe in das Büro – ein Schreibtisch mit Computer, ein Schrank, Regale-  noch einen zweiten großen Tisch gestellt. Dort soll, nach langer Pause, wieder Keramik entstehen – doch nur für mich, im kleinen Rahmen.

Die Geschichten folgen dem Ding nach – in der Skulptur. Während die traumhaften Geschichtswolken der Kunst des Schreibens vorauseilen.

 

Ist Tagebuch-Schreiben modern?

17.04.2019 Allgemein Keine Kommentare

Wenn ich erzähle, dass ich begonnen habe Kurse zum Tagebuch-Schreiben zu geben, erfahre ich meist zwei Arten von Reaktion: 1. „Tagebuch schreibe ich schon immer. Das muss man doch nicht lernen!“  2. „Tagebuch – in Zeiten der social media, wo ich mich dauernd beschreibe?“ Beide Reaktionen gehen knapp an dem vorbei, was ich mit meinen Kursen bezwecke. Ich ziele an die Wurzel des Menschseins, auf unsere archaische Seite.

„Wer bin ich? Wohin führt mein Weg? Wie stehe ich in der Welt?“ Unser Bedürfnis autobiografisch zu erzählen entspringt einem tiefen menschlichen Bedürfnis nach Verortung und Zugehörigkeit. Sich diesen Fragen ehrlich zu stellen ist der Beginn einer fruchtbaren Beziehung zur eigenen – vielleicht verschütteten – Kreativität. Einmal entdeckt und gefördert, wird sie zu einer neuen Lebensader im Strom des alltäglichen Lebens.

In den Tagebuch-Kursen versuche ich eine Lebens- und Schreibhaltung zu vermitteln, die angstfrei mit dem eigenen Blendwerk umgeht. Mehr als bloße Schreib- oder Kreativitätsrechniken unterrichte ich eine Lebenshaltung, die in sich ruhend, sich selbst reflektieren kann und darf. Der Kurs ist ein Impuls, ein Anfang, um unseren Alltag, oder schwierige Kapitel unseres Lebens, authentisch und meditativ zu betrachten und zu beschreiben. So kann das Schwierige zur Kraftquelle werden. Im spielerischen Aufschreiben wird das eigene Sein nachhaltig erlebt und angenommen.

Bringe den Atem, den Körper, das Erinnern, unseren sprunghaften Geist und unser ganzes Wohlsein in den gegenwärtigen Moment. Geschrieben wird das, was ist, jetzt:

 

Tagebuch-Notiz: Am Ende der Nacht – ein Tag. Nach dem Regen – Sonnenlicht. Ein spätes Frühstück in der Küche. Offenes Fenster – Meise, Zaunkönig, Amsel.

 

Bilder der Zeit

27.01.2019 Allgemein Keine Kommentare

 

Die Morgen-Meditation, das Tagebuchschreiben, eine Holzkiste gefüllt mit alten Fotos – das sind drei gute Bestandteile eines Rezeptes für authentisches Schreiben.

Die Morgen-Meditation verhilft zu einem ausgeglichenen und offenen Zustand. So schreibt sich die eigene Befindlichkeit fast von selbst ins Tagebuch. Nachdem ich meine Träume der vergangenen Nacht und Ideen dazu aufgeschrieben habe, genieße ich eine Tasse Tee und schaue aus dem Fenster. Ich brauche den richtigen Moment des „Absprungs“, um mich nun mit meinem nächsten Vorhaben zu beschäftigen – ich möchte eine Kiste mit Fotos öffnen, weil ich etwas Bestimmtes suche. So eine verschlossene Kiste ist manchmal wie die Büchse der Pandorra.

Eigentlich suche ich Fotos von der Eröffnungsfeier meines ersten, damals noch gemieteten, Ateliers in Schongau. Erinnerung über Erinnerung liegen da: zuoberst Fotos von Lesungen am Walensee und in Zürich, darunter liegen einige wenige Fotos mit Meer, einer Insel in Südamerika, wann war das, 2002? Eine Serie Fotos vom Keramikofenbau in Zürich, und viele Fotos von meinen  Teetassen und gebrannten Buddhi-Figuren liegen dicht aneinander. Das Buddhi-Projekt…. Die Foto-Drucke, große und kleine, sind in Schichten gelagert, wie Sandstein oder Löss. Lang lag alles still aufeinander, wurden nicht bewegt. Ich hebe immer mehr Fotos aus der Schachtel. Schließlich treffe ich auf eine Juwelenmine mit den Fotos, die ich gesucht habe.

Unerwartet blickt mich das Gesicht meiner Tochter an. Es ist mit Farbspritzern bedeckt. Ich erinnere mich: sie hatte mir damals das Ausmalen des Ateliers zum Geburtstag geschenkt. Es war kalt, März vielleicht? Vieles in meinem Leben war anders als jetzt. Elisha hat sich verändert, ich habe mich verändert. Wir waren 16 Jahre jünger. Dieser Rutsch ins Älterwerden berührt mich, ich lege das Bild vor  mich auf den Tisch, spüre in mich hinein. Stille. Wie war das Erleben damals für mich, wie ist es heute? Ich nehme das Tagebuch hervor, entspanne mich und schreibe einen Bogen über die Zeit, schreibe die weißen Farbspritzer, Kälte und Liebe, schreibe hinweg über die unsichtbaren Jahre.

 

Auch weiterhin ist das Thema der Blogeinträge Meditation und Kunst.

Ein Punkt Zeit

06.01.2019 Allgemein Keine Kommentare

 

Punkt für Punkt, Schritt für Schritt, Zeitpunkt um Zeitpunkt. Viele Menschen verstehen die Zeit als eine Linie, den Moment, in dem wir jetzt sind als einen Punkt auf dieser Linie. Was, wenn die Zeit aber als eine Kugel betrachtet würde? Wieder ist der Moment, in dem wir uns befinden ein Punkt. Punkt.

Durch angeleitete und erprobte Meditations-Techniken lernen wir diesen Moment, das hier und jetzt, konkret werden zu lassen. Zeit wird zur konkreten Erfahrung. Wir treiben nicht mehr in Phantasien, was wir in der Vergangenheit hätten anders machen sollen, und beschäftigten uns auch nicht mit Projekten für die Zukunft. Im gegenwärtigen Moment sind wir hier und wir tun, was wir tun.

Ein Freund erzählte mir, dass er Autofahren als gute Meditations-Übung ansieht: „Beim Autofahren muss ich ohnehin immer präsent sein, so kann ich auf der Autobahn üben, wie stabil meine Meditation ist. Kann ich sie beibehalten, im Straßenverkehr?“ Gegenwärtig im Moment entspannt verweilend, können wir autofahren, mit unseren Kindern spielen, Skulpturen machen, Gartenarbeit erledigen oder – eben auch schreiben.

Dem Fluss des Schreibens folgen ist die hohe Kunst des Schreibens. Bereits im Tagebuch können wir üben, ganz gegenwärtig das aufzuschreiben, was uns gerade jetzt bewegt, durch den Kopf geht, das Herz erwärmt. Für innere Zensoren ist da weder Zeit noch Raum.

So kommen wir unser wirklichen Befindlichkeit, uns selbst, näher. Das ist der Schreib-Weg.

 

Meditation und Stille

20.12.2018 Allgemein Keine Kommentare

 

Das Thema der Blogeinträge der nächsten Monate ist, wie schon angekündigt, Meditation und Kunst.

 

 

Meditation bringt aus der Stille Bewegung hervor. Sich zurückzuziehen bringt den geschäftigen Geist zur Ruhe. Das klingt wie ein Gegensatz, ist aber keiner.

Um aus dem vollen Brunnen der Kreativität schöpfen zu können, muss man zuerst einmal in der Lage sein, diesen Brunnen zu finden. Im Alltag glauben wir manchmal, wir müssten nur „alles unter Kontrolle“ haben, dann könne ja nichts schief gehen. Manchmal, etwa wenn wir pünktlich zu Terminen erscheinen, oder das Auto im Straßenverkehr souverän lenken wollen, ist diese Kontrolle auch nützlich.

Stehen wir allerdings vor neuen Herausforderungen und unser altes Repertoire, unsere Erfahrungen, reichen nicht mehr aus, kann es hilfreich sein, sich erst einmal aus dem Geschehen zurückzuziehen. „Ich meditiere jetzt ein bisschen“, nennen das manche. Rückzug, Alleinsein, Stille, aus dem Fenster schauen, ein Vollbad im Halbdunkeln – irgendwann beruhigt sich der Geist. Die Gedanken verlangsamen sich, die innere Hektik lässt nach. Nur – das ist noch lange nicht«Meditation». Das ist einfach „sich abregen“, als Gegensatz von „sich aufregen“.

Meditation bedeutet für mich, alte, seit langem überlieferte Meditations-Techniken anzuwenden, um mit tiefen Schichten meines Menschseins wieder in Kontakt zu kommen. Diese Techniken sollten, nachdem sie erklärt wurden, auch geübt werden. Während des Übens kann es anfangs schwierig sein, innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Gedanken schwirren durcheinander, wie nie zuvor. Oder besser: wir bemerken plötzlich, wie viele Gedanken gleichzeitig schwirren können. Beachten wir sie nicht, wird auch die Bewegtheit weniger. Neue Ebenen, bisher unbekannte Welten werden sichtbar und erfahrbar.

Tief durchatmen, Stille. Dann – ein Gedanke taucht auf, fliegt auf, wie ein Vogel, verschwindet. Stille.

Rückblick und Ausblick

14.11.2018 Allgemein Keine Kommentare

Seit fast drei Jahren schreibe ich in unregelmäßigen Abständen einen Blogeintrag auf dieser Website.

Der erste Blogeintrag ist vom 02.01.2015. Seither beschäftige ich mich durchgehend mit dem Schreiben. Anfangs mehr mit dem Erscheinen des Romans «Der Pilgerweg heim», den Erfahrungen bei meinen Lesungen. Im Lauf der Monate bin ich dann häufig auf den kreativen Prozess des Schreibens eingegangen.

Im letzten Jahr war das Tagebuch – sowohl als Kunstform wie auch als Report eigener Befindlichkeiten – im Vordergrund. Einige Monate intensiver Auseinandersetzung waren speziell der Form des «Reisetagebuches» gewidmet. Reisetagebücher lesen, das Reisetagebuch meiner Tibet-Reise schreiben, einen entsprechenden Kurs «Das Reisetagebuch» konzipieren.

Für diesen Blogeintrag habe ich als Thema «Rückblick» und «Wo stehe ich jetzt?» gewählt. Für heute habe ich mir vorgenommen, die Abfolge der Blogs, angefangen beim ersten bis jetzt zu betrachten und mir zu überlegen, ob ich für die Zukunft etwas ändern will. Ich habe es mir in meinem Büro bequem gemacht und blättere in den Blogeinträgen zurück. Es gibt Tee, Ruhe, einen bequemen Sitzplatz vor schöner Aussicht aus dem Fenster. Als ich fertig gelesen habe sortiere ich einen Bücherstapel auseinander, der seit einer Woche auf dem Fußboden steht. Eigentlich mache ich das, um zur Ruhe zu kommen. Nun stelle ich mir die wichtige Frage: Will ich weiterhin bloggen? Die Antwort kommt innerlich, sofort, spontan: „Ja“. Wie häufig möchte ich in Zukunft den Blog veröffentlichen? Häufiger als bisher.“ Möchte ich einen neuen Schwerpunkt setzen, habe ich ein neues Anliegen, das mich inspiriert? Nun kommt erst einmal keine spontane Antwort. Nicht weil es an Ideen fehlt. Es ist mehr, dass ich zu viele habe. Ich schreibe einige auf, gehe dann hinaus ins Freie und schaue mich um. «Quittenkorb».

 

 

Nein, keinen Gärtnerblog. Obwohl ich Pflanzen für meinen Lebensraum unbedingt brauche, auch Obstbäume. Ich gehe auf der Wiese vor dem Büro auf und ab. Stehe manchmal einfach da, eine Tasse Tee in der Hand und schaue, denke vor mich hin, betrachte das Laub auf der Wiese.

Was ich hier weiter oben beschreibe ist ein wichtiger Teil des kreativen Prozesses. Bei einer Neuorientierung meine ich, ist er unerlässlich. Diesen Prozess der Kreativität versuche ich in meinen Schreibkursen anzuregen und zu vermitteln, dass er täglich genährt werden muss. Und zwar mit Selbstfürsorge und Geduld. Am Ende des Arbeitstages habe ich übrigens auch eine Entscheidung getroffen die mich befriedigt. Ich werde in meinen Blogbeiträgen in den nächsten Monaten einen neuen Schwerpunkt setzen: «Meditation & Kreativität» – nicht nur beim Schreiben.

Schreib-Retraite

28.10.2018 Allgemein Keine Kommentare

 

 

Mit viel bedrucktem Papier in Aktenordnern und Mappen habe ich mich für ein verlängertes Wochenende ins Unterengadin zurückgezogen. In Abgeschiedenheit und Stille will ich entscheiden, welches die Endfassung von BONSAI wird, einer Geschichichte an der ich seit drei Jahren immer wieder schreibe. Ich möchte abschliessen, um Neues beginnen zu können. Die verschiedenen Versionen zwischen 2016 und 2018 ergeben etwa 250 A4 Seiten zu lesen. Einiges kann ich schon auswendig. Nach zwei Tagen ist das Chaos von „Copy & Paste“ vollkommen. Ich muss hinausgehen! In der Zwischenzeit hat es eine Nacht lang geschneit und der Strom war zeitweise ausgefallen. Am Spätnachmittag des Sonntags gehe ich eine kleine Alpstrasse entlang. Der Schnee, auf den es tagsüber geregnet hat, wird aquamarinweiss. Das ist ein seltener Moment. Ich will ihn auskosten, anstatt weiter grübelnd durch die Landschaft zu gehen. Diesen ersten Schnee will ich spüren, kosten. Ich nehme eine grosse Handvoll und werfe ihn aufwärts. Der Ball zielt hinauf in den blaugrauen Abendhimmel und kommt dann direkt auf mich zurück. Ich fange ihn, unversehrt landet er in meinen Händen. Ein Moment des Glücks – etwas ist von selbst gelungen. Nun kann ich wieder zurück ins Dorf gehen, mich an den Tisch setzen und weiter arbeiten.

 

Unterwegs fotografiere ich noch dieses Sgraffito über dem Fenster eines Engadinerhauses.  Der kleine Vogel wird von etwas grösserem, einem mysthischen Vogelgeschöpf, genährt.

Zeit für Veränderung

05.08.2017 Allgemein Keine Kommentare

Wer meinem monatlich veröffentlichen Blog zum Schreiben folgt hat bemerkt, dass seit einigen Monaten die Beiträge sehr spärlich waren. Es war Zeit für Veränderung. Ich bin viel gereist, habe neue Menschen und neue Orte kennengelernt, altbekannte besucht, mit Freude Zeit mit Familie und alten Freunden verbracht. Während dieser Zeit habe ich die Arbeit mitgenommen, für einen Verlag ein anspruchsvolles Buch, eine Übersetzung aus dem Englischen lektoriert. 360 Buchseiten, wobei ich mit dem linken Zeigefinger am Originaltext, Zeile für Zeile überarbeitete – eine Arbeit die länger dauerte als vorgesehen.

In dieser Zeit hat der Roman in sich geruht. Neue Perspektiven haben sich entwickelt. Zum Beispiel ist mir klar geworden, dass ich zu viele Erzählstränge in den Text hinein verwoben habe. Dass ich mindestens einen, eventuell sogar zwei entfernen will. Ich weiss auch genau, wann ich mir  die Auszeit nehme, um dieses Werk mit dem Arbeitstitel „Bonsai“ zu Ende zu bringen. Das wird im kommenden Spätherbst sein. Für mindestens einen Monat ziehe ich mich dann ganz von der Aussenwelt zurück. Bis dahin mache ich kleinere Änderungen, der Text ist ja „beinahe fertig“. Aber vorher gibt es noch ein weiteres Buch, das ich, als Brotarbeit, lektorieren werde.

Weil ich die Künstlerin in mir nicht verhungern lassen will, habe ich vor einigen Tagen in Wien beschlossen, einige „Fingerübungen“ zu schreiben, kleine Texte über Wien, meine Wurzeln in Wien, das Selbstverständliche Sein, das der Ort meiner Kindheit mir gibt. Diese kleinen „Sprachskulpturen“ kann ich auch zwischendurch machen.

Deshalb widme ich mich im Spätsommer und Herbst dieses Jahres  kleinen Schriftzügen über Wien, Eastside.

Alter, Liebe und Tod

26.12.2016 Allgemein Keine Kommentare

Ein halbes Jahr hat mich das Leben als Geisel genommen. Ich habe mich nicht gewehrt. Es hat mich vom Schreiben und vom Skulpturen machen, von der Kunst also, weg gehalten.

Alle Lebenskraft habe ich gebraucht, meinen Gefährten durch eine lebensbedrohliche Krankheit zu begleiten, ihm und auch mir Kraft, Mut und Genesung aus den Tiefen unserer Kraftreserven zu schöpfen, den individuellen und den kollektiven. Manchmal habe ich geweint, schon morgens, vor Erschöpfung.

Jedes Wort, das ich schrieb, erschien mir zu viel, aufdringlich, laut, unangemessen dem dunklen Raum, den ich durchquerte. Schweigen, Stille, Ruhe. Das Herz tat mir oft weh, in der Ohnmacht mit den Schmerzes meines Liebsten.

Ich erinnere mich heute an eine Sommernacht, in der ich ausgelaugt nach einem Tag im Krankenhaus auf unserem großen Grundstück saß, allein in hereindämmernder Nacht. Eine Füchsin kam, es dauerte sicherlich eine halbe Stunde bis sie näher kam. Ich hatte Zeit sie zu beobachtete, ihre Anwesenheit als Trost zu geniessen. Langsam, langsam kam sie, um Kirschen, die vom nahen Kirschbaum gefallen waren, vom Boden zu fressen. Irgendwann kamen auch zwei kleine Füchse, doch sie blieben weiter weg. Die Füchsin umrundete mich, nahm mich wahr, beachtete mich nur aus den Augenwinkeln, ging später wieder ihrer Wege. Verschwand in der Dunkelheit der Nacht.

Baum, Licht und Leiter Weihnachten 2016

Baum, Licht und Leiter
Weihnachten 2016

Mein Mann ist wieder aus der Dunkelheit ins Licht getreten, hat sich langsam, ganz langsam erholt. Genießt das neu geschenkte Leben. „Wir sind alt geworden, ohne dass wir es richtig bemerkt hätten“, sage ich zu ihm, „wie ist das so schnell passiert?“. Wir waren immer zu beschäftigt, um es zu bemerken, denke ich. Nun, in der Überraschung des neu gefundenen Lebensabschnitts, schaue ich mich erstaunt um: Es ist schön hier, das ist mein Leben. Was hat sich geändert? Im Schreiben bin ich wahrhaftiger geworden, kompromissloser, aber auch im Alltag.

Ich nehme den beinahe fertigen Roman, den ich vor einem halben Jahr zur Seite gelegt habe wieder hervor. Es geht um einen Abschied, eine Vater-Sohn-Geschichte, es geht um Alter, Liebe und Tod. Ja, ich könnte eine Novelle daraus machen. Dieser zweite Teil der Trilogie wird wahrscheinlich eher kurz, wie der Arbeitstitel schon andeutet: „Bonsai“.