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Karin Koppensteiner 07.08.2020 Allgemein Keine Kommentare
Tagebuch schreiben kann auch eine Kunstform sein, Dokumentation des Einfachen. Ich dokumentiere einen Moment der Inspiration oder beschreibe einfach das, was ist. Ein veröffentlichtes Tagebuch könnte man als Vorläufer der YouTuber-Kultur betrachten. Ich schrieb eine Zeitlang ein «Pflanzen-Tagebuch», hier ist ein Auszug daraus:
In meinem Gemüsegarten gibt es viele Welten für sich, Tierwelten, Erdwelten, unterirdische Welten, Pflanzenwelten und Zwischenwelten. Ein Universum ist jenes der Klettergurken. Kreativ und scheinbar ungebremst wuchern sie, wenn genug Wasser und Bodennahrung vorhanden ist. In einem Geschäft kaufe ich Gurken (lat. Cucumis sativus) aus dem ewigen Glashaus eher nicht. Meine kleinen Cornichon-Pflanzen jedoch finden jedes Jahr wieder Platz im Gemüsegarten. Sie ranken sich wie reine Poesie um von mir gestaltete Gerüste aus Bambusstöcken, in einem Jahr, oder aus Haselholz, in einem anderen Jahr.

Gurken sind Beeren, erfahre ich in Wikipedia, nicht ganz zu meiner Überraschung, und zwar «Panzerbeeren». Ihre Schalen sind ja oft hart, ganz anders als die Schalen der schwarzen Johannisbeeren, die heute am Gartenzaun überreif an den Ästen ihres Strauches hängen.
Meine kleinen Gurken haben nicht nur eine hell-dunkel gestreifte Schale, oder sind dunkelgrün wie Tannennadeln, sie haben auch feste Stacheln. Stacheln, die biegsam sind und zäh, die in meiner Handfläche hängen bleiben wenn ich die Gurken zu heftig von ihrem Strauch wegreiße. Diese Stacheln wasche ich von der Schale einer Gurke weg, bevor ich sie über meine Lippen hinwegziehen lasse, die süssen, kleinen, saftigen schmackhaften Cornichon-Stückchen, direkt auf meine Zunge, hinein in meinen Mund, ungeschält.
Was ihren Namen betrifft, Gurke, so kommt er angeblich aus dem Slawischen – oder aus dem Mittelgriechischen. Das bedeutet, dass die Gurken wahrscheinlich bei uns in Mitteleuropa bis ins 16. Jahrhundert unbekannt waren. Kein deutschsprachiges Wort für eine fremde Frucht. Es gibt seltsame alte Namen für diese grüne Beere: «Umurke», das war in Wien noch gebräuchlich, als ich ein Kind war. «Gugummere» wurde sie in der Schweiz genannt, und im süddeutschen Raum „Guckummer».
Die Botaniker haben eine Gurkentheorie, nach der die Urahnen aller Gurken ursprünglich aus einer Wildform in Indien gezüchtet worden war, vor etwa 2000 Jahren. Abweichungen von dieser Theorie liefern Genetiker. Ihre Theorie lautet, dass die einzige Gurke mit ähnlicher Genetik wie unsere Gartengurke aus Afrika stammt. Weil Indien und Afrika die letzten 2000 + Jahre etwas weit auseinander liegen und Wissenschafter sich ungern Blößen geben, wird die Herkunft nicht besonders erwähnt. Man bleibt vage im Osten – Balkan oder Griechenland – dort liege der Ursprung der Gurke.
Meine Meditation vor dem Gurkengerüst ist einfacher: Die Gurke ist hier, sie wächst. Alles ist so vollkommen – die kleinen gelben Blüten, schon borstig auch sie, die haarigen Blätter und Ranken, die kratzigen Stengel und Stengelchen; die winzigen und die kleinen Gurken, die größeren und sogar ein wenig zu früh gelbrandig geworden Blätter im Gewirr der Pflanze.
ANREGUNG ZUM SCHREIBEN: Nimm ein Ding oder einen Teil aus deinem alltäglichen Leben und schreibe über einen längeren Zeitraum hinweg täglich darüber. Als Beispiel habe ich hier einen Auszug aus dem «Pflanzen-Tagebuch» veröffentlicht, das ich 2017/18 über die Pflanzen in meiner Umgebung – Sommer & Winter – geschrieben hatte.
Karin Koppensteiner 08.07.2020 Allgemein Keine Kommentare
Wenn ich erkläre, was meine Kurse von anderen Schreib-Kursen unterscheidet ist der Schlüsselbegriff dabei «Meditation».
«Meditation», so wie ich sie erlernt habe und seit 40 Jahren täglich praktiziere, greift auf das zurück, was bereits vorhanden ist. Um zu meditieren, müssen wir nichts hinzufügen oder neu erschaffen. Alle großen spirituellen Traditionen der Erde haben Methoden entwickelt, damit jeder Mensch mit dem eigenen wahren Wesenskern (wieder) in Kontakt sein kann.
Warum sollte ich mit meinem Wesenskern in Kontakt kommen wollen? Die Antwort, die ich für mich selbst gefunden habe, ist folgende: Die Quelle der Kreativität und der Lebenskraft jedes einzelnen Menschen liegt oft im Verborgenen. Manchmal geschieht spontane Annäherung an diese Kraftquelle, man spricht dann vom Zustand des «Flow», davon ein «Flow-Erlebnis» gehabt zu haben. Tiefe Gefühle des Eins-Seins werden sowohl von Extrem-Sportlern, Bergsteigern, Marathonläufern, als auch von Künstlern als Momente kurzen Eins-Seins beschrieben. Das ist eine tiefe Erfahrung, jedoch nicht Meditation.
Meditierende können in diesen Zustand nach einiger Übung anfangs bewusst ein- und wieder austreten. Später lernen sie, im stetigen und bewussten Kontakt mit dem eigenen, tiefen Wesen zu leben. Alle, die einmal persönlich erlebt haben, wie viel Energie frei wird, wenn die alten Denkmuster und Blockaden plötzlich überlistet sind, weiß, worauf ich hinaus will:
Ein spontaner Durchbruch ins Reich der eigenen kreativen Potenziale ist immer eine prägende Erinnerung. Doch oftmals bleibt es bei kurzer Berührung mit diesem Zustand. Dann übernehmen die alten Denkmuster wieder die Führung: „Ich bin eben nicht begabt.“ – oder: „Ich bin eben nicht begabt genug.“
Erleben wir den kraftvollen, schöpferischen Zustand, einen spontanen Durchbruch, nicht als einzigartiges Ausnahmegefühl, sondern als ein feines Netz kleiner, positiver Erfahrungen, oder wie einen Busch voll verborgener
Beeren, die wir nur zu pflücken brauchen, dann ist die Wirkung auf das Leben nachhaltig. Danach kann diese Erfahrung des So-Seins besser in den Alltag integriert werden. Langsam können sich im Laufe der Zeit neue Glaubenssätze bilden, wie etwa: „Alle Früchte stehen mir zur Verfügung. Ich bin genauso begabt, wie alle anderen. Vielleicht sollte ich mich ein wenig mehr anstrengen, als ich gedacht habe.“
Kreativität kann durch regelmäßige Meditation, irgendeine Art der Meditation, wohlgemerkt, genährt und gestärkt werden. Wichtig dabei ist, dass diese Meditation eine erprobte Form hat. Direkt und auf freudvolle Art soll sie wahrhaft den eigenen inneren Wesenskern kontaktieren. Sind wir authentisch, fliesst die Quelle der Lebenskraft und so auch der Schaffenskraft, ungehindert. Dort finden wir den Ort der Selbstheilung. Jeder, der diesen geheimen Ort in sich selbst findet, findet ihn auch gleichzeitig für alle anderen, für die Welt. Das ist eine Form wunderbar nachhaltiger Evolution.
Ich beginne bei mir, ich beginne heute.
Wer will sich nicht gerne direkt, liebevoll und sorglos selbst ausdrücken? Und gleichzeitig das in die Welt bringen, was hier dringend gebraucht wird: liebevoller und schöpferischer Umgang mit der Lebensenergie aller.
In diesen Zeit der Corona-Pandemie, in der sich auf unserem Planeten sichtbar und unaufhaltsam so viel verändert, werden genau diese kreativen Eigenschaften des Lebens und der Kunst zu Überlebens-Werkzeugen.
Mit Meditation und kreativer Alltagsbewältigung öffnen wir Wege zu unserer eigenen Quelle der Kraft. Und – wenn wir Glück haben – stoßen wir dabei auch noch auf die unendlichen Energie-Reserven die uns als Menschheit kollektiv zur Verfügung stehen.
Ich freue mich auf gemeinsame Arbeits-Stunden bei den Kursen im 2. Halbjahr 2020. Gemeinsam machen wir uns wieder auf den Weg hin zu unseren kollektiven und persönlichen Kraft-Quellen.
Meine Kurse nehmen gerade eine neue, pandemiegerechte Form an:
*) Das bedeutet – weniger Teilnehmende;
*) Einige Übungen werden, wegen des neuen Sicherheitsabstands, gegen andere ausgetauscht;
*) Ich arbeite an einem Live-Webinar (ab September)
*) Ab September biete ich weiterhin Einzel-Sitzungen für das Buch-Coaching an, neu auch via Zoom
*) Die Kurse zum Autobiographischen Schreiben als Kurzfassung in Einzel-Sitzungen, sowohl via Zoom als auch «Live».
Karin Koppensteiner 09.11.2019 Allgemein Keine Kommentare
Beim autobiografischen und beim Tagebuch-Schreiben kann es sein, dass wir uns sehr stark nach Innen wenden, uns vor allem auf uns selbst beziehen. Für einige Zeit kann das gut sein, doch ab einem bestimmten Punkt scheint es mir wichtig, sich als Schreibende auch als Teil einer größeren Welt zu erkennen.
In der philosophischen Betrachtungsweisen des Buddhismus gibt es ein gutes Beispiel, wie wir uns davor bewahren können, eine Situation zu stark durch die eigene Brille zu betrachten:
Ich bin für viele verschiedene Menschen immer jemand anderer –Tochter meiner Eltern, Mutter meiner Kindern, Schwester dem Bruder, Geliebte, Geschäftsfrau, Ehefrau meinem Mann, Großmutter den Enkeln, Nachbarin, Cousine, Politikerin, beste Freundin, Feindin. Wie kann ich also mit Sicherheit sagen, dass ich nur «eine Mutter» bin oder einfach «die Feindin», oder nur und ausschließlich «Tochter»?
Jeder Einzelne von uns ist einer von 7 Milliarden Menschen auf diesem schönen Planeten Erde. Jeder von uns begegnet seiner Welt auf ganz eigene Art und Weise.
«Ich bin die Augen meiner Welt!» bedeutet, sich des vielschichten Universums der Gedanken und Wahrnehmungen bewusst zu sein, in dem wir leben. Das ist nicht nur für das Schreiben wichtig.
Die Übung «Commons» im Kurs «Selbstausdruck als Quelle der Kraft» soll mithelfen, diese Vielfalt offen zu integrieren.
Karin Koppensteiner 03.05.2019 Allgemein Keine Kommentare
Schon im letzten Blogeintrag habe ich das Thema der letzten Monate – «Meditation und Schreiben» – ausklingen lassen. Im Moment will ich mich anderen Aspekten des Tagebuch-Schreibens zuwenden, beispielweise dem Betrachten «unerledigter Geschäfte».

Mai am Walensee, Schweiz
„Tagebuch schreiben kann doch jeder“, sagte mir eine Bekannte. Irgendwie stimmt das – und auch wieder nicht. Natürlich kann jede und jeder auf ganz eigene Art und Weise die Seiten eines Tagebuches mit Phantasien und Fakten, Zeichnungen und Fotos über die eigene Befindlichkeit füllen.
Doch gehen wir darüber weit hinaus, wenn wir das Schreiben eines Tagebuchs in die Quelle alltäglicher Kraft verwandeln wollen. Dann ist Authentizität gefordert, Mut, Selbst-Reflexion und der Wunsch nach lebendigem Austausch mit denjenigen Schichten unserer Biographie, die für uns nicht ganz leicht zugänglich ist. Als «Mental Health Tool» kann das Tagebuch nur fungieren, wenn wir ihm diese Kraft zusprechen und uns entsprechend geschickt mit dem Tagebuchschreiben beschäftigen.

Getrocknete und gefärbte Algen, Ozean/Welt.
Hier setzen meine Kurse an: Willst du mehr und intensiver in dich hineinlauschen? Willst du deinen Alltag in neuem Licht sehen? Willst du dich von dir selbst und deiner Weisheit überraschen lassen?
Wer alle diese Fragen mit „Ja“ beantworten kann, wird bei meinen Kursen zum Thema: «Tagebuch- und autobiographisches Schreiben» Inspiration und Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten finden. Vielleicht öffnen sich dadurch neue Türen in unbekannte Selbst-Landschaften.
Karin Koppensteiner 27.01.2019 Allgemein Keine Kommentare
Die Morgen-Meditation, das Tagebuchschreiben, eine Holzkiste gefüllt mit alten Fotos – das sind drei gute Bestandteile eines Rezeptes für authentisches Schreiben.
Die Morgen-Meditation verhilft zu einem ausgeglichenen und offenen Zustand. So schreibt sich die eigene Befindlichkeit fast von selbst ins Tagebuch. Nachdem ich meine Träume der vergangenen Nacht und Ideen dazu aufgeschrieben habe, genieße ich eine Tasse Tee und schaue aus dem Fenster. Ich brauche den richtigen Moment des „Absprungs“, um mich nun mit meinem nächsten Vorhaben zu beschäftigen – ich möchte eine Kiste mit Fotos öffnen, weil ich etwas Bestimmtes suche. So eine verschlossene Kiste ist manchmal wie die Büchse der Pandorra.
Eigentlich suche ich Fotos von der Eröffnungsfeier meines ersten, damals noch gemieteten, Ateliers in Schongau. Erinnerung über Erinnerung liegen da: zuoberst Fotos von Lesungen am Walensee und in Zürich, darunter liegen einige wenige Fotos mit Meer, einer Insel in Südamerika, wann war das, 2002? Eine Serie Fotos vom Keramikofenbau in Zürich, und viele Fotos von meinen Teetassen und gebrannten Buddhi-Figuren liegen dicht aneinander. Das Buddhi-Projekt…. Die Foto-Drucke, große und kleine, sind in Schichten gelagert, wie Sandstein oder Löss. Lang lag alles still aufeinander, wurden nicht bewegt. Ich hebe immer mehr Fotos aus der Schachtel. Schließlich treffe ich auf eine Juwelenmine mit den Fotos, die ich gesucht habe.
Unerwartet blickt mich das Gesicht meiner Tochter an. Es ist mit Farbspritzern bedeckt. Ich erinnere mich: sie hatte mir damals das Ausmalen des Ateliers zum Geburtstag geschenkt. Es war kalt, März vielleicht? Vieles in meinem Leben war anders als jetzt. Elisha hat sich verändert, ich habe mich verändert. Wir waren 16 Jahre jünger. Dieser Rutsch ins Älterwerden berührt mich, ich lege das Bild vor mich auf den Tisch, spüre in mich hinein. Stille. Wie war das Erleben damals für mich, wie ist es heute? Ich nehme das Tagebuch hervor, entspanne mich und schreibe einen Bogen über die Zeit, schreibe die weißen Farbspritzer, Kälte und Liebe, schreibe hinweg über die unsichtbaren Jahre.
Auch weiterhin ist das Thema der Blogeinträge Meditation und Kunst.
Karin Koppensteiner 14.11.2018 Allgemein Keine Kommentare
Seit fast drei Jahren schreibe ich in unregelmäßigen Abständen einen Blogeintrag auf dieser Website.
Der erste Blogeintrag ist vom 02.01.2015. Seither beschäftige ich mich durchgehend mit dem Schreiben. Anfangs mehr mit dem Erscheinen des Romans «Der Pilgerweg heim», den Erfahrungen bei meinen Lesungen. Im Lauf der Monate bin ich dann häufig auf den kreativen Prozess des Schreibens eingegangen.
Im letzten Jahr war das Tagebuch – sowohl als Kunstform wie auch als Report eigener Befindlichkeiten – im Vordergrund. Einige Monate intensiver Auseinandersetzung waren speziell der Form des «Reisetagebuches» gewidmet. Reisetagebücher lesen, das Reisetagebuch meiner Tibet-Reise schreiben, einen entsprechenden Kurs «Das Reisetagebuch» konzipieren.
Für diesen Blogeintrag habe ich als Thema «Rückblick» und «Wo stehe ich jetzt?» gewählt. Für heute habe ich mir vorgenommen, die Abfolge der Blogs, angefangen beim ersten bis jetzt zu betrachten und mir zu überlegen, ob ich für die Zukunft etwas ändern will. Ich habe es mir in meinem Büro bequem gemacht und blättere in den Blogeinträgen zurück. Es gibt Tee, Ruhe, einen bequemen Sitzplatz vor schöner Aussicht aus dem Fenster. Als ich fertig gelesen habe sortiere ich einen Bücherstapel auseinander, der seit einer Woche auf dem Fußboden steht. Eigentlich mache ich das, um zur Ruhe zu kommen. Nun stelle ich mir die wichtige Frage: Will ich weiterhin bloggen? Die Antwort kommt innerlich, sofort, spontan: „Ja“. Wie häufig möchte ich in Zukunft den Blog veröffentlichen? „Häufiger als bisher.“ Möchte ich einen neuen Schwerpunkt setzen, habe ich ein neues Anliegen, das mich inspiriert? Nun kommt erst einmal keine spontane Antwort. Nicht weil es an Ideen fehlt. Es ist mehr, dass ich zu viele habe. Ich schreibe einige auf, gehe dann hinaus ins Freie und schaue mich um. «Quittenkorb».

Nein, keinen Gärtnerblog. Obwohl ich Pflanzen für meinen Lebensraum unbedingt brauche, auch Obstbäume. Ich gehe auf der Wiese vor dem Büro auf und ab. Stehe manchmal einfach da, eine Tasse Tee in der Hand und schaue, denke vor mich hin, betrachte das Laub auf der Wiese.
Was ich hier weiter oben beschreibe ist ein wichtiger Teil des kreativen Prozesses. Bei einer Neuorientierung meine ich, ist er unerlässlich. Diesen Prozess der Kreativität versuche ich in meinen Schreibkursen anzuregen und zu vermitteln, dass er täglich genährt werden muss. Und zwar mit Selbstfürsorge und Geduld. Am Ende des Arbeitstages habe ich übrigens auch eine Entscheidung getroffen die mich befriedigt. Ich werde in meinen Blogbeiträgen in den nächsten Monaten einen neuen Schwerpunkt setzen: «Meditation & Kreativität» – nicht nur beim Schreiben.
Karin Koppensteiner 28.10.2018 Allgemein Keine Kommentare
Mit viel bedrucktem Papier in Aktenordnern und Mappen habe ich mich für ein verlängertes Wochenende ins Unterengadin zurückgezogen. In Abgeschiedenheit und Stille will ich entscheiden, welches die Endfassung von BONSAI wird, einer Geschichichte an der ich seit drei Jahren immer wieder schreibe. Ich möchte abschliessen, um Neues beginnen zu können. Die verschiedenen Versionen zwischen 2016 und 2018 ergeben etwa 250 A4 Seiten zu lesen. Einiges kann ich schon auswendig. Nach zwei Tagen ist das Chaos von „Copy & Paste“ vollkommen. Ich muss hinausgehen! In der Zwischenzeit hat es eine Nacht lang geschneit und der Strom war zeitweise ausgefallen. Am Spätnachmittag des Sonntags gehe ich eine kleine Alpstrasse entlang. Der Schnee, auf den es tagsüber geregnet hat, wird aquamarinweiss. Das ist ein seltener Moment. Ich will ihn auskosten, anstatt weiter grübelnd durch die Landschaft zu gehen. Diesen ersten Schnee will ich spüren, kosten. Ich nehme eine grosse Handvoll und werfe ihn aufwärts. Der Ball zielt hinauf in den blaugrauen Abendhimmel und kommt dann direkt auf mich zurück. Ich fange ihn, unversehrt landet er in meinen Händen. Ein Moment des Glücks – etwas ist von selbst gelungen. Nun kann ich wieder zurück ins Dorf gehen, mich an den Tisch setzen und weiter arbeiten.

Unterwegs fotografiere ich noch dieses Sgraffito über dem Fenster eines Engadinerhauses. Der kleine Vogel wird von etwas grösserem, einem mysthischen Vogelgeschöpf, genährt.
Karin Koppensteiner 09.07.2018 Allgemein Keine Kommentare
Die Linde
Bei der Heimkehr von einem Spaziergang. An einem frühen Sonntagmorgen im Juli. Hinter mir ging gerade die Sonne auf, wie aus dem Wald hervortauchend. Als ich unter der blühenden Linde zu unserem Hof ging hörte ich im Vorbeigehen über mir ein webendes Summen. Es war ungewöhnlich, stark und schien überall zu sein. Ich blieb stehen, blinzelte in die Sonne und lauschte. Es waren unzählige Bienen – ein Bienenlied – überall. Ich schaute hinauf und blickte in eine Welt, die ich nicht betrete, obwohl sie so nahe ist: Die Baumkrone unserer alten Linde. Sie hat einen dicken Stamm und auch die Äste sind bis hoch hinauf – vielleicht zwanzig Meter über mir? – noch so stark wie Baumstämme.
Die Bienen, der Duft der Blüten, der schon die ganze Nacht hindurch ins Haus gedrungen war, der Boden auf dem ich stand – alles war diese eine Linde in einem Moment. Nicht einfach ein botanisches Ereignis, sondern mehr, ein durchscheinendes und mich durchdringendes System „Natur“.
Die Bewegung der Bienen klang wie ein Chor; nicht menschlich. Der Duft der tausenden von Lindenblüten war in mich eingedrungen; nicht nur durch die Atemwege.
Lange blieb ich unter den weit ausladenden Ästen stehen. Ich versuchte diesen Klang der – meist unsichtbaren – Bienen mit meinem Handy aufzunehmen.
Doch blieb mir später nur die Erinnerung an das Linden-Dasein, außergewöhnliches starkes tierisches pflanzliches liebliches wildes.
An diesem Tag begann ich diese Linde, diesen einen uralten Baum, in meinem Tagebuch zu beschreiben. Titel: Annäherung an einen Baum.