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Karin Koppensteiner 20.12.2018 Allgemein Keine Kommentare
Das Thema der Blogeinträge der nächsten Monate ist, wie schon angekündigt, Meditation und Kunst.

Meditation bringt aus der Stille Bewegung hervor. Sich zurückzuziehen bringt den geschäftigen Geist zur Ruhe. Das klingt wie ein Gegensatz, ist aber keiner.
Um aus dem vollen Brunnen der Kreativität schöpfen zu können, muss man zuerst einmal in der Lage sein, diesen Brunnen zu finden. Im Alltag glauben wir manchmal, wir müssten nur „alles unter Kontrolle“ haben, dann könne ja nichts schief gehen. Manchmal, etwa wenn wir pünktlich zu Terminen erscheinen, oder das Auto im Straßenverkehr souverän lenken wollen, ist diese Kontrolle auch nützlich.
Stehen wir allerdings vor neuen Herausforderungen und unser altes Repertoire, unsere Erfahrungen, reichen nicht mehr aus, kann es hilfreich sein, sich erst einmal aus dem Geschehen zurückzuziehen. „Ich meditiere jetzt ein bisschen“, nennen das manche. Rückzug, Alleinsein, Stille, aus dem Fenster schauen, ein Vollbad im Halbdunkeln – irgendwann beruhigt sich der Geist. Die Gedanken verlangsamen sich, die innere Hektik lässt nach. Nur – das ist noch lange nicht«Meditation». Das ist einfach „sich abregen“, als Gegensatz von „sich aufregen“.
Meditation bedeutet für mich, alte, seit langem überlieferte Meditations-Techniken anzuwenden, um mit tiefen Schichten meines Menschseins wieder in Kontakt zu kommen. Diese Techniken sollten, nachdem sie erklärt wurden, auch geübt werden. Während des Übens kann es anfangs schwierig sein, innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Gedanken schwirren durcheinander, wie nie zuvor. Oder besser: wir bemerken plötzlich, wie viele Gedanken gleichzeitig schwirren können. Beachten wir sie nicht, wird auch die Bewegtheit weniger. Neue Ebenen, bisher unbekannte Welten werden sichtbar und erfahrbar.
Tief durchatmen, Stille. Dann – ein Gedanke taucht auf, fliegt auf, wie ein Vogel, verschwindet. Stille.
Karin Koppensteiner 13.09.2018 Allgemein Keine Kommentare
Auf unserer Reise in einem Pkw mit Fahrer und Übersetzer durch Osttibet sind mir immer wieder alte idyllische Vorstellungen über die Bewohner von Kham durch den Kopf gegangen. Bald war ich in der Gegenwart angekommen, die alten Vorstellungen/Bilder waren vergessen. Ich bin Widersprüchen, Stolz und Strassenbau, verschmutzen Flüssen, grossen Khampa-Hochzeitsfesten im Hotel, Sehnsuch und motorradfahrende Mönchen begegnet, reitenden Hirtennomaden und goldenen Tempeldächern. Die extreme Weite der Bergwelt auf dem Dach der Welt hat mich für immer verändert.
Täglich fand ich ich mich ohne Referenzpunkt wieder – öffnete meine Wahrnehmung und war im Neuland. Die Suche nach der Idylle gab ich auf. Zuerst waren es die Fotos, die eine Metapher für das Viele, das ich erfuhr, aber nicht aussprechen konnte und wollte, ausdrückten. Das Femde, das Schweigen, eine Mauer.
Ich fand «Die Türe» als Öffnung in der Wand, später noch den Spalt, den Riss als Ausdruck dessen, das mich bewegte und beunruhigte. Natürlich habe ich versucht, viel von dem zu fotografieren, was mir begegnete. Doch vor allem waren es Mauern und Öffnungen in Mauern, denen zunehmend meine künstlerische Aufmerksamkeit galt. Wie diese Lehmwand mit Tür in Adzom Gar in der Präfektur Gandze.
IM AUGUST 2018 UNTERNAHM ICH MIT MEINER FAMILIE EINE PILGERREISE DURCH KHAM/OSTTIBET. GEPLANT WAR, DASS ICH VON UNTERWEGS MEINEN BLOG WEITERFÜHREN WÜRDE. DIE REALITÄT WAR GANZ ANDERS ALS ERWARTET, UND DOCH WUNDERBAR. ICH VERÖFFENTLICHE ALSO HIER IN KÜRZEREM ABSTAND EINIGE DER BLOGEINTRÄGE (AUS TIBET) IM NACHHINEIN.
Karin Koppensteiner 09.07.2018 Allgemein Keine Kommentare
Die Linde
Bei der Heimkehr von einem Spaziergang. An einem frühen Sonntagmorgen im Juli. Hinter mir ging gerade die Sonne auf, wie aus dem Wald hervortauchend. Als ich unter der blühenden Linde zu unserem Hof ging hörte ich im Vorbeigehen über mir ein webendes Summen. Es war ungewöhnlich, stark und schien überall zu sein. Ich blieb stehen, blinzelte in die Sonne und lauschte. Es waren unzählige Bienen – ein Bienenlied – überall. Ich schaute hinauf und blickte in eine Welt, die ich nicht betrete, obwohl sie so nahe ist: Die Baumkrone unserer alten Linde. Sie hat einen dicken Stamm und auch die Äste sind bis hoch hinauf – vielleicht zwanzig Meter über mir? – noch so stark wie Baumstämme.
Die Bienen, der Duft der Blüten, der schon die ganze Nacht hindurch ins Haus gedrungen war, der Boden auf dem ich stand – alles war diese eine Linde in einem Moment. Nicht einfach ein botanisches Ereignis, sondern mehr, ein durchscheinendes und mich durchdringendes System „Natur“.
Die Bewegung der Bienen klang wie ein Chor; nicht menschlich. Der Duft der tausenden von Lindenblüten war in mich eingedrungen; nicht nur durch die Atemwege.
Lange blieb ich unter den weit ausladenden Ästen stehen. Ich versuchte diesen Klang der – meist unsichtbaren – Bienen mit meinem Handy aufzunehmen.
Doch blieb mir später nur die Erinnerung an das Linden-Dasein, außergewöhnliches starkes tierisches pflanzliches liebliches wildes.
An diesem Tag begann ich diese Linde, diesen einen uralten Baum, in meinem Tagebuch zu beschreiben. Titel: Annäherung an einen Baum.