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ÜBER DIE KUNST UND DAS SCHREIBEN

29.06.2016 Allgemein Keine Kommentare

Viele Wege führen in den Schreib-Stau
Wir leben in einem 250 Jahre alten Luzerner Bauernhaus mit Geschichte und Staub, davor liegt ein wunderschöner Garten mit viel Arbeit drin. Wann immer wir umbauen, brauchen wir „kleine Handwerkerbetriebe“ die schiefe Wände und schiefe, niedrige Decken nicht aus dem Konzept bringen. Solche Betrieb werden immer seltener. Sie sind altmodisch und brauchen „etwas länger“.  Nach einer Arbeitswoche haben die Schreiner diesmal herausgefunden, dass, um die Decke optimal isolieren zu können, ich am besten den  Kleiderschrank ausräume und sie ihn auseinander schrauben. Das ist nur ein Beispiel.
Das Ziel der Umbauten ist, dass meine 1 1/2 Südzimmer, in dem ich vor 14 Jahren im ersten Enthusiasmus über das uralten Holz habe Sandstrahlen lassen, jetzt wieder eine staub- und kältedichte Decke bekommen. Ausserdem habe ich in der kleinen Kammer ein Arvenholzmöbel in die Wand einbauen lassen, und dahinter winterfest isolieren. Nachdem ich zwei Woche lang wegen Schreinerarbeiten meine Zimmer nicht bewohnen konnte, kam endlich der sogenannte „Gipser“, spachtelt die Fugen, das musste trocknen, draussen regnete es tagelang. Dann wurde Rohverputz auf die neuen Deckenplatten zwischen den uralten Balken gemacht, und der musste dann wieder trocknen, bevor der Maler kommen konnte.
Dafür ließen einige Handwerker hundert Fliegen ins Haus, weil sie anstatt der von ihnen selbst montierten mobilen Fliegengitter-Fenster die anderen öffnen, diejenigen, die keine Fliegengitter haben. Und weil das ganze in einem  regnerischen und kalten Juni passierte, kamen alle Fliegen die bei Albert, das ist der Nachbar mit strahlend weissem Haarschopf, im Kuhstall keinen Platz mehr haben zu uns und saßen  überall. Am Liebsten in der Küche und auch auf dem Computer, während ich versuchte, trotz Hämmern und Nachfragen der Arbeiter zwischendurch zu arbeiten.

Ich habe den grossen Küchentisch als Bürotisch benutzt , das ging manchmal stundenweise ganz gut. Aber ich schreibe nicht „stundenweise“ an einem Roman. Dafür hatte ich endlich Zeit, im Computer meine Mailbox aufzuräumen. Ein digitaler Hausputz, sozusagen. Die Fliegen rannten dabei meine Arme entlang.

Ruhe ist heute ins Haus zurück gekehrt. Ich habe gestern den Kleiderschrank mit den übrigens bei dieser Gelegenheit gleich neu in terrakottarosa gestrichenen Türen – nochmals fünf Tage Wartezeit – eingeräumt. Alles in allem war ich zwei Wochen ohne Kleiderschrank und vier Wochen ohne meine Zimmer. Weil Umbau Anwesenheit verlangt, war ich auch selten in meinem Atelier und ebenso oft blieb meine Arbeit liegen.
Seit 35 Jahren arbeite ich mehrheitlich freiberuflich und oft auch mit Büro zu Hause. Das ist praktisch, man steht morgens  nicht im Stau und der ökologische Fussabdruck ist kleiner. Aber es hat einen grossen Nachteil: wann immer zu Hause Aufruhr ist, Umbau, grosser Besuch oder ähnliches, staut sich die Arbeit auf dem Schreibtisch.
Und die Freude, heute endlich wieder ungestört arbeiten zu können, lässt sich durchaus mit der Freude einer Autofahrerin vergleichen, die nach einstündigem Stau endlich wieder im Schneckentempo die Autobahn entlang fahren kann.

29.06.2016

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